Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Hannes Wader verabschiedet sich von der Bühne
BERLIN (KNA) - Sein Song „Heute hier, morgen dort“, hat fast jedes seiner Konzerte eröffnet. 55 Jahre stand Hannes Wader auf der Bühne, nun ist Schluss. Im ausverkauften Berliner Tempodrom gab der knorrige Westfale vor 4000 Fans am Donnerstagabend sein letztes Konzert, aus Altersgründen. „Die Tourerei“, so der 75-Jährige, sei ihm nun doch zu beschwerlich. Bei seinem letzten Auftritt ist davon nichts zu spüren.
Gab es je eine deutsche Entsprechung zu Bob Dylan, dann war es in seinen jungen Jahren Hannes Wader, der den „Talking Blues“an der Fingerpicking-Gitarre lässig herunterschrammelte und dazu sozialkritische, bissig-ironische Texte raunte. Ebenso wie sein US-Idol inszenierte sich Hannes Wader als der einsame Tramp, den es nirgends hält. Seine Liedzeilen „Bin auf meinem Weg, schon so lang …“oder „Ich bin unterwegs nach Süden und will weiter bis ans Meer“wurden zur Hymne ruheloser Aussteiger.
In der Berliner Kleinkunstszene war Wader eine feste Größe, teilte sich die Abendgage 1967 mit seinem Freund Reinhard Mey, und ging ab 1971 auf Deutschlandtournee. Irgendwann wurde ihm sein ewiges Unterwegssein zum Problem. Er suchte nach Heimat. Die fand er in der linken Volksliedtradition und der Arbeiterbewegung, zu der er sich als Sohn eines Landarbeiters und einer Putzfrau, 1942 in Bielefeld-Gadderbaum geboren, immer noch zählt. Das sagt er auch in seinem letzten Konzert: „Man kann seine Klasse niemals verlassen, man kann sie nur verraten.“
1973 erstand er eine Windmühle bei Husum, nahm plattdeutsche Lieder auf und produzierte „Volkslieder demokratischen Charakters“. Wader sah sich immer als ein Teil einer internationalen Familie, bis er sich der DKP anschloss und zu einem Parteisänger der DDR mutierte. Im Westen mit pazifistischen Liedern erfolgreich, tauchte er in der DDR plötzlich beim staatlich gelenkten „Festival des politischen Liedes“auf und sang mit einem rüstigen Veteranenchor: „Und richten sie die Gewehre gegen die Sowjetunion, dann rüsten rote Heere zum Kampf, zur Revolution!“Die Fans in Berlin haben ihm diese Sackgasse und manch andere Irrwege an verziehen. Mit Ovationen bedankten sie sich bei „ihrem“Hannes.