Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Union drängt die SPD zur Eile
Merkel: Die Welt wartet, dass wir agieren – Dobrindt: Dicke Klopfer zuerst verhandeln
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BERLIN - Drei Tage lang hat die SPD mit sich gerungen und am Ende in ergebnisoffene Gespräche mit der Union eingewilligt, jetzt sammelt sich die Union, um an Mittwochabend in Berlin gerüstet in die Gespräche zu gehen. In „vielversprechende Gespräche über den Neustart einer Großen Koalition“, wie CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt meint. Die „dicken Klopfer“solle man direkt identifizieren und sich nicht in Detailfragen verhaken.
Sowohl Kanzlerin Merkel als auch Dobrindt streben nach Möglichkeit eine Große Koalition an. Die Minderheitsregierung wäre nur eine Option für den Notfall, die dann auch nicht lange halte, ist Dobrindt überzeugt: „Die Minderheitsregierung hat einen ganz erheblichen Nachteil – nämlich, dass die Opposition die Mehrheit hat.“
Und weil Dobrindt das nicht möchte, rät er der SPD, die Latte für eine Große Koalition jetzt nicht zu hoch zu legen. „Der Wille bei uns ist groß, bei der SPD kann man Zweifel haben“, meint er. Die Vereinigten Staaten von Europa etwa, die SPDChef Martin Schulz nach Möglichkeit bis 2025 anstrebt, kommen für die CSU schon mal gar nicht infrage. „Schulz vergisst, dass mehr Europa, wie er es formuliert, weniger Deutschland heißt“, so Dobrindt. Schulz’ Art von „Euroradikalimus“schade der europäischen Idee.
Bürgerversicherung ohne Chance
Auch beim anderen roten Herzensanliegen, der Bürgerversicherung, sieht Dobrindt schwarz: „Das ist ein Vorschlag aus der sozialdemokratischen Mottenkiste.“Man wisse doch, wie wichtig der Wettbewerb sei, und die Versorgung ländlicher Regionen werde auch durch die privaten Kassen mitfinanziert.
Sehr viel versöhnlicher klingt Angela Merkel. Sie hält zwar auch nichts von der Bürgerversicherung, aber die Fortentwicklung Europas identifiziert sie als ein gemeinsames schwarz-rotes Anliegen. Überhaupt sieht sie eine ganze Reihe von Schnittmengen mit den Sozialdemokraten: Wohlstand, Arbeitsplätze, Digitales und Europa. Sie unterstütze den Vorschlag des französischen Präsidenten Macron, bis 2025 europaweit eine gemeinsame Unternehmensteuer zu haben. Eine schrittweise europäische Außenpolitik wäre wünschenswert. „Die Welt wartet, dass wir agieren können“, sagt Merkel. Und da 2019 Europawahlen anstehen, könne man vorher noch ein paar wichtige Pflöcke einschlagen.
Während die Union die SPD sanft (wie Merkel) oder kräftiger (wie Dobrindt) zur Eile drängt, wiegelt die SPD ab. Nach dem Mittwochabend werde die SPD-Spitze erst einmal beraten, ob das Treffen mit der Unionsspitze „Anlass zur Hoffnung gibt, dass Sondierungen sich überhaupt lohnen“, sagt die SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles. Wenn nicht, solle die SPD das schnell sagen, meint Dobrindt. Die Sondierungen sollten nicht über Ende Januar hinaus dauern. Wenn es nicht klappe, habe er zwar keine Angst vor einer Minderheitsregierung, aber er sei sich sicher, dass man die dann schnellstmöglich beenden muss. „Das kann nur ein kurzer Übergang zu Neuwahlen sein.“Laut Dobrindt könnten Neuwahlen schon vor der Sommerpause stattfinden. Und in Richtung SPD spottet er, wenn diese nicht regieren wolle, brauche sie auch keinen Kanzlerkandidaten aufzustellen.
Angela Merkel hat vor dem Blick in die Zukunft am Sonntagabend im CDU-Bundesvorstand noch einen Blick zurückgeworfen auf die für die CDU missglückte Bundestagswahl. „Die Menschen waren noch nicht überzeugt, dass Steuerung und Ordnung von Migration geglückt ist“, räumte sie ein. Und dass die mangelnde Einigkeit der beiden Schwesterparteien CDU und CSU eine Rolle gespielt habe.
Merkel: Vier Jahre noch nicht um
Doch die CDU-Chefin will jetzt den Blick lieber nach vorne richten. Sie gehe „mit gutem Mut“in die Gespräche mit der SPD. „Wir konzentrieren uns darauf, eine stabile Regierung zu bauen. Eine Minderheitsregierung wäre nicht stabil“, so Merkel.
Wenn es aber zu Neuwahlen komme, so die Kanzlerin auf eine entsprechende Frage, stehe sie weiter zur Verfügung. „Ich habe mich klar geäußert, dass ich für vier weitere Jahre zur Verfügung stehe, die sind noch nicht um“, so Merkel.