Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
„Manche müssen bei Adam und Eva anfangen“
Hubert Pfaff coacht Flüchtlinge, bis sie fit für den deutschen Arbeitsmarkt sind
● WILHELMSDORF - Flüchtlinge brauchen ein spezielles „Know-how“für den beruflichen Einstieg. Davon ist Hubert Pfaff überzeugt. Deshalb bietet der ehemalige Betriebswirt und Personalleiter ein Integrationscoaching an, um Geflüchtete erfolgreich in den hiesigen Arbeitsmarkt zu integrieren.
Was im Maßnahmenkatalog für „Das berufliche Coaching für Migranten“etwas trocken zusammengefasst ist mit „Profiling“, „Arbeitsmarktorientierung“oder „Erarbeitung marktgerechter Bewerbungsunterlagen“, das füllt Hubert Pfaff in einem etwa 70-stündigen Kurs mit Leben. Sprich, Trainer Pfaff eruiert zunächst in Gesprächen mit einem arbeitswilligen Migranten dessen Potenziale, Grenzen und Integrationsstand. Pfaff spricht deutsch mit seinen Schützlingen und erfährt so nebenbei, welche Sprachkenntnisse da sind, er fragt nach deren Erwartungen und danach, was sie in ihren Heimatländern gemacht haben.
Laut einer Statistik des Bildungsinstitutes Advico sind in den vergangenen fünf Jahren deutschlandweit 1,63 Millionen Asylanträge gestellt worden, etwa 1,22 Millionen Anträge innerhalb der letzten beiden Jahre. Mitte 2016 seien rund 300 000 Flüchtlinge als arbeitssuchend gemeldet gewesen, listet die Statistik auf. Wenn man nun eine Arbeitsgeberstudie von Hays dagegenstellt, die besagt, dass sich knapp zwei Drittel der Arbeitsgeber vorstellen könnten, einen Geflüchteten einzustellen – dann müsste eigentlich für jeden Arbeitswilligen ein Arbeitsplatz zu finden sein. Eigentlich. Wären da nicht die durchaus berechtigten Bedenken der Arbeitsgeber, die da heißen: Versteht der Geflüchtet genug Deutsch, wie ist es um die tatsächliche Fachkenntnis bestellt, wie machen sich die kulturellen Unterschiede bemerkbar?
Auch um diesen Brückenschlag kümmert sich Pfaff. Wenn mit den Flüchtlingen die Vorarbeit geleistet ist – also alle ausländischen Berufsqualifikationen anerkannt, die aktuelle Arbeitsmarktsituation abgeklopft, Bewerbungsunterlagen erstellt und Vorstellungsgespräche geübt, seine Netzwerke und Kontakte angezapft sind –, dann begleitet Pfaff den Kandidaten auch noch durch die Probezeit. Mindestens. „Die Fallmanager in der Agentur für Arbeit haben jeweils etwa 350 Fälle zu betreuen“, weiß Pfaff. Glasklar, dass die Behörde nicht die im Einzelfall manchmal erforderliche große Hilfe leisten kann.
Neben all den arbeitsrelevanten Aspekten gilt es nämlich auch, ganz profane Alltagsbegleitung zu leisten. Und Pfaff tut das. Nimmermüde erklärt er die hiesigen Gepflogenheiten bei der Mülltrennung, erklärt die deutsche Haupttugend der Pünktlichkeit, animiert seine Schützlinge stets dazu, Fragen zu stellen. Selbst eine Outfit- und Stilberatung fürs Bewerbungsgespräch sieht das Konzept, Hubert Pfaff mit dem Pfaff arbeitet, vor. Immer mit dem Wissen im Hinterkopf: Es sind erwachsene Menschen, allerdings aus anderen Kulturen. „Somit müssen diese Menschen in manchen Bereichen bei Adam und Eva anfangen“, fasst Pfaff zusammen.
Auf die richtige Spur gebracht
Einige seiner Schützlinge brauchen nur eine kleine Anschubhilfe. So wie die 21-jährige Bashra aus Syrien. Die wusste ganz genau, was sie wollte, nämlich Informatik studieren. „Ein Selbstläufer“, erinnert sich Pfaff. Ihr musste er nur bei den Bus- und Bahnverbindungen behilflich sein und ihr erklären, wo in Ulm die Hochschule ist. Den Rest erledigte Bashra selbst.
Aber viel häufiger betreut Pfaff Menschen wie Bashras jungen Landsmann, der sich mit dem Berufswunsch „Röntgologischer Assistent“an Pfaffs Tisch setzte. Ziemlich schnell war dem Coach klar: dem Mann ging es darum, im weißen Kittel arbeiten zu können, „wie ein Doktor“. Auch ihn hat Pfaff auf die richtige Spur gebracht. Heute macht er eine Ausbildung zum Automechaniker.
Pfaff hat für seine Arbeit mit den Menschen natürlich den Leitfaden dieses 70-stündigen Kurses, der auch die deutsche Kultur anschneidet und erklärt, wie wir Deutschen ticken, der aufzeigt, wo Fettnäpfchen lauern und wie der Umgang zwischen Männern und Frauen hier aussieht. Am besten aber helfe ihm, wie er selbst sagt, seine Lebenserfahrung. Und seine respektvolle Empathie. „Die Leute merken, dass mich der Mensch hinter den Papieren interessiert. Das schafft Vertrauen“, sagt Pfaff. Und schließlich lasse er sich von der alten Weisheit leiten: „Was du nicht willst, das man dir tu – das füg auch keinem anderen zu.“
„Die Leute merken, dass mich der Mensch hinter den Papieren interessiert. Das schafft Vertrauen.“
Geflüchtete, die sich für dieses Coaching interessieren, können über ihren Fallmanager bei der Agentur für Arbeit Auskünfte einholen. Die Schulung findet in Wilhelmsdorf statt.