Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
„Die SPD muss jetzt einen Vorschlag machen“
CSU-Unterhändler Joachim Herrmann deutet zumindest beim Thema Familiennachzug ein Einlenken an
BERLIN - Bei den Koalitionsverhandlungen von Union und SPD hat sich am Wochenende kaum eine Annäherung abgezeichnet. Viele Unionspolitiker äußerten sich skeptisch zu den von der SPD geforderten Nachbesserungen der Sondierungsergebnisse für eine neue Große Koalition. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (Foto: dpa), der CSU-Unterhändler für das Migrationskapitel, deutete jedoch im Gespräch mit Tobias Schmidt ein Einlenken beim Familiennachzug an.
Herr Herrmann, die CSU will die Große Koalition, ist aber zu keinerlei Zugeständnissen an die SPD bereit. Wie passt das zusammen?
Wir haben uns einvernehmlich auf ein respektables Sondierungsergebnis geeinigt. Es kann nicht sein, dass jetzt plötzlich die Union einseitig weitere Zugeständnisse machen soll. Dafür gibt es keinen Anlass. Ziel muss eine gute Politik für das Land sein, und nicht, SPD-Parteifunktionäre glücklich zu machen. Martin Schulz sollte mal klarmachen, dass es ihm um die Zukunft Deutschlands geht und nicht um die Selbstverwirklichung seiner Partei.
Zur Ausweitung der Härtefallregelung für den Familiennachzug waren auch viele in der CSU bereit, dann haben Alexander Dobrindt und Andreas Scheuer nein gesagt.
Diese Darstellung ist nicht richtig. Allen war klar, dass in Härtefällen der Familiennachzug für Angehörige subsidiär geschützter Flüchtlinge möglich sein muss. Dabei geht es um eine Zahl von deutlich unter 1000 pro Monat, was der SPD aber zu wenig war. Die Kanzlerin hat daraufhin die Zahl von bis zu 1000 Nachzügen pro Monat vorgeschlagen, inklusive Härtefälle. Wenn die SPD jetzt sagt, die Härtefälle fehlen, ist das mehr als merkwürdig.
Eine großzügigere Härtefallregelung wird es mit der CSU auf keinen Fall geben? Sind die 1000 Familiennachzügler in Stein gemeißelt?
Die SPD muss jetzt einen Vorschlag machen, wie sie sich die konkrete Ausgestaltung beim Thema Familiennachzug vorstellt. Entscheidend ist, dass der Korridor von insgesamt 180 000 bis 220 000 humanitären Zuzügen pro Jahr nicht überschritten wird. Jedenfalls können wir nicht das gesamte Sondierungsergebnis wieder aufmachen.
Ist die Zahl von maximal 220 000 Aufnahmen eine Obergrenze?
Der Korridor von 180 000 bis 220 000 Menschen pro Jahr ist nicht nur eine Erfahrungsbeschreibung. Es muss das klare Ziel einer künftigen Bundesregierung sein, diese Grenze nicht zu überschreiten. Denn die Aufnahme von mehr Flüchtlingen übersteigt die Integrationsfähigkeit unseres Landes.
Um neue Konflikte und damit neue Migrationsströme zu verhindern, sollen weniger Waffen in Krisenregionen geliefert werden. Ist dafür ein neues Gesetz notwendig?
Im Vordergrund steht, dass die Bundeswehr besser ausgestattet und ausgerüstet wird. Wir brauchen mehr Soldaten, einsatzfähige Panzer, Hubschrauber und Schiffe. Natürlich brauchen wir auch Regeln für Rüstungsexporte. Die Politik der letzten Jahre war aber nicht falsch. Es gibt keinen Anlass für ein neues Gesetz. Der Waffenexport in Krisenregionen muss streng kontrolliert werden. Darüber wird im Einzelfall die Bundesregierung zu entscheiden haben. Die Regeln dafür haben sich bewährt.
Die Grünen fordern einen generellen Stopp von Rüstungsexporten in die Türkei, weil Ankara in Syrien gegen die Kurden kämpft …
Wir werden das Vorgehen der türkischen Regierung im Auge behalten. Aber grundsätzlich gilt: Die Türkei ist unser Nato-Partner. Ein Exportverbot für Waffen in das Nato-Partnerland Türkei wäre absurd. Dadurch würde die Zusammenarbeit in der Nato infrage gestellt.
20 000 Kurden haben am Wochenende in Köln gegen Erdogans Einmarsch in Nordwestsyrien demonstriert und dabei auch Flaggen der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK geschwenkt. Muss der Staat hier eigentlich härter durchgreifen?
Auch für die Kurden gilt das Recht auf Versammlungsfreiheit, aber es muss friedlich bleiben. Die PKK ist eine verbotene Organisation. Gegen das Zeigen von Symbolen verbotener Organisationen muss der Rechtsstaat konsequent vorgehen, so wie es in Köln geschehen ist. Die Grenze zwischen der Gewährung des Demonstrationsrechtes und Straftaten darf nicht verwischt werden.