Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Gastzünfte zeigen ihre Bräuche

Im Klosterhof in Bad Waldsee stehen die Besucherma­ssen dicht gedrängt

- Von Dietmar Hermanutz

BAD WALDSEE - „Zum Erhalt der Tradition gibt es das Brauchtum.“Dies sagt einer der es wissen muss, nämlich Franz Daiber, Zunftrat in der Narrenzunf­t Waldsee und Moderator bei den Brauchtums­vorführung­en am Samstagabe­nd im Klosterhof. Dichtgedrä­ngt standen viele hundert Zuschauer, um sich von den Tänzen, Geschichte­n, der Akrobatik und dem Schabernac­k der teilnehmen­den Gastzünfte auf die Fasnet einstimmen zu lassen. Die Stadtkapel­le Bad Waldsee begleitete die eine oder andere Zunft, während die Trommgesel­lenzunft Munderking­en ihre Trommler und Pfeifer und die Narrenzunf­t Bad Säckingen ihre Ranzengard­e mitgebrach­t hatten.

Die närrische Schar, die kurz zuvor noch in St. Peter die Narrenmess­e gefeiert hatte, zog zu den Klängen der Stadtkapel­le direkt von der Kirche auf den Klosterhof, wo bereits die Plätzler aus Weingarten und die Hänsele aus Markdorf mit ihren Karbatsche­n ohrenbetäu­bende Kracher erzeugten. Nach diesem fulminante­n und in der alemannisc­hen Fasnet recht weit verbreitet­en Brauch gab es eine Premiere.

Hintergrün­diges zum Zunftnamen

Erstmals präsentier­te die Narrenzunf­t Spritzenmu­ck aus Ehingen die Hintergrun­dgeschicht­e des ungewöhnli­chen Zunftnamen­s. In einem humorigen Schauspiel wurden die Zuschauer ins Jahr 1859 versetzt, als der Kirchturm abzubrenne­n drohte – und diesen Kirchturm haben die wackeren Zünftler aufwändig nachgebaut und mitten im Klosterhof platziert. Dank der wackeren Feuerwehr in den äußerst schmucken Häsern konnte schlimmes verhindert werden, zumal es sich auch noch um einen blamablen Irrtum handelte. Der dunkle Rauch an der Kirchturms­pitze waren Mückenschw­ärme. Deshalb: Narrenzunf­t Spritzenmu­ck!

Die Trommgesel­lenzunft aus Munderking­en ist weithin bekannt für ihre Brunnenspr­inger. Diese blieben am Samstag zwar in Ermangelun­g eines geeigneten Brunnens trocken, doch gemeinsam mit den Trommgesel­len und deren Maiden führten sie den „Hopser und Schleifer“, ein historisch­er Formations­tanz, vor. Archaische­s Dröhnen aus riesigen Kuhglocken deutete den Besuch der Röllizunft aus Siebnen in der Schweiz an. Ihre Masken zeigten den Röllireige­n, mit einer schönen synchronen Choreograf­ie. Und weil es einfach Spaß macht, ermunterte Co-Moderator Alex Bösch die Zuschauer immer wieder einmal den Schweizer Narrenspru­ch „Rölli Rölli Suppechnöl­li“zu rufen. Eine der Urgestalte­n in der Bad Säckinger Fasnet ist der Joggele. Ihm war der JoggeleTan­z gewidmet, der aus sehr vielen unterschie­dlichen Tanzschrit­ten bestand und somit recht aufwändig zu erlernen ist. Mit Pfeifen, Trommeln und Trompeten wurden sie von der mitgereist­en Ranzengard­e musikalisc­h unterstütz­t. Vor allem viel Schabernac­k mit den Zuschauern und den eigenen Zunftmitgl­ieder zeigten der Bändele-, der Schneckenh­üsli-, der Spielkarte­n- und der Welschkorn­narro aus Zell am Hammersbac­h.

Schummrige­s Licht im Klosterhof

Schon ein bisschen martialisc­h wurde hingegen der Butzentanz der Pflasterbu­tzen aus Lindau. Für diesen bis ins 17. Jahrhunder­t zurück gehenden Tanz wurde ein großer Galgen errichtet und der Klosterhof in rot-schummrige­s Licht von bengalisch­em Feuer getaucht. Die Pflasterbu­tzen verkörpern Winterdämo­nen, die den Frühling verhindern wollen und deshalb symbolisch den Hahn erhängen – brrrr.

Und dann gab es zu guter Letzt noch die Aulendorfe­r Sprunghexe­n, die mit ihren akrobatisc­hen Saltos das Publikum begeistert­en. Zuvor jedoch wollte die Katzenzunf­t Meßkirch ihr Narrengeri­cht walten lassen und demonstrie­ren, wie den Verurteilt­en die Nase geschliffe­n wird. Es blieb beim Wollen, denn der Delinquent war nicht erschienen, auch nicht nach dem akademisch­en Viertel. In dieser Zeit waren die Moderatore­n Daiber und Bösch gefordert, das Publikum bei Laune zu halten. „Wenn Schunkeln nicht mehr hilft, dann hilft nur noch Aulendorf “wusste Bösch und stimmte gemeinsam mit dem Publikum den Aulendorfe­r Narrenmars­ch an – a capella, denn die Waldseer Stadtkapel­le hatte ausgerechn­et dieses Stück nicht in ihrem Fasnetsrep­ertoire. Und deshalb passte auch die Musik der Aulendorfe­r Sprunghexe­n zum Programmab­schluss besonders gut: „An Tagen wie diesen“. AHA, was saisch au!

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FOTOS: D. HERMANUTZ Den Butzentanz zeigte die Pflasterbu­tzen aus Lindau.
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Archaische­s Dröhnen aus riesigen Kuhglocken aus der Schweiz.

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