Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Steckt der Islam in der Krise?
Autor Michael Blume beobachtet, dass sich mehr Menschen von der Religion abwenden
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WEINGARTEN - Terroristische Anschläge, Salafismus und Kriege im Nahen Osten – das öffentliche Bild des Islams ist immer wieder von negativen Schlagzeilen geprägt. Dabei ist es wichtig, differenziert über den Islam zu sprechen, findet Hussein Hamdan von der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Denn entgegen der Wahrnehmung, dass sich immer mehr Muslime zu ihrem Glauben bekennen, konservativen Richtungen folgen oder sich radikalisieren, hat Religions- und Politikwissenschaftler Michael Blume anderes beobachtet. Im Fachgespräch mit Hamdan spricht Blume am heutigen Montag in Weingarten über sein Buch „Islam in der Krise – Eine Weltreligion zwischen Radikalisierung und stillem Rückzug“.
Hamdan wird als Tagungsleiter das Fachgespräch führen und Blume Fragen stellen. „Der Autor macht eine andere Beobachtung als der Mainstream. Das macht seine Aussagen sehr spannend“, sagt Hamdan im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“. Blume spricht in seinem Buch auch von einer Bildungskrise im Islam. Der Autor beobachtet einen „stillen Rückzug“des Islams im privaten Bereich - Riten und religiöse Praktiken seien im Alltag der Menschen immer weniger präsent.
Doch wie kommt es, dass die Öffentlichkeit genau das Gegenteil wahrnimmt? Hamdan erklärt an einem Beispiel: „Eine Frau mit Kopftuch wird sofort wahrgenommen, eine Frau, die das Kopftuch ablegt aber weniger.“In den Medien werde der Islam überwiegend mit Salafismus, Anschlägen und dem IS in Verbindung gebracht. Seit 2001 habe sich dadurch das öffentliche Bild negativ verändert. „Man muss lernen, mit den heiklen Themen differenzierter umzugehen“, sagt Hamdan. Klar gebe es Probleme, auch mit Muslimen in Deutschland, über die gesprochen werden müsse. Aber das positive Engagement der Muslime wie beispielsweise in verschiedenen Jugendprojekten gehe dabei oft unter. „Es ist ganz wichtig, dass wir beide Seiten zeigen können“, sagt Hamdan. Deshalb sei es ein wichtiger Anspruch der Akademie, sich breit aufzustellen.
Tendenzen der Säkularisierung
Auch Hamdan hat leichte Tendenzen der Säkularisierung, also der Abwendung von der Religion, beobachtet. Gleichzeitig habe er aber auch das Gefühl, dass verbandsnahe Muslime eher religiöser werden. „Es scheinen sich gerade zwei Seiten zu entwickeln. Aber noch nicht im großen Rahmen“, sagt Hamdan. Das Thema findet er spannend, eine klare Meinung habe er sich noch nicht gebildet. Eindeutige Schlüsse zu ziehen sei nämlich nicht einfach, denn bei weitem nicht alle Muslime in Deutschland sind in Verbänden organisiert. Schon, wenn es um die Zahl der Muslime geht, seien lediglich Schätzungen basierend auf der Herkunft der Menschen möglich. „Dabei vergisst man, dass es in Deutschland auch Menschen aus muslimischen Ländern gibt, die eine andere oder gar keine Religion haben“, erklärt Hamdan. So gebe es zum Beispiel immer wieder Flüchtlinge, die Christen werden wollen.
Das Fachgespräch zum Thema „Islam in der Krise – Eine Weltreligion zwischen Radikalisierung und stillem Rückzug“mit dem Buchautor Michael Blume und Hussein Hamdan findet am Montag, 26. Februar, ab 19 Uhr im Tagungshaus der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart, Kirchplatz 7 in Weingarten statt. Die Kosten betragen regulär sechs Euro und ermäßigt drei Euro. Anmeldungen zu der Veranstaltung sind möglich im Internet unter