Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Steckt der Islam in der Krise?

Autor Michael Blume beobachtet, dass sich mehr Menschen von der Religion abwenden

- Von Alena Ehrlich www.akademie-rs.de/ vanm_22371.

WEINGARTEN - Terroristi­sche Anschläge, Salafismus und Kriege im Nahen Osten – das öffentlich­e Bild des Islams ist immer wieder von negativen Schlagzeil­en geprägt. Dabei ist es wichtig, differenzi­ert über den Islam zu sprechen, findet Hussein Hamdan von der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Denn entgegen der Wahrnehmun­g, dass sich immer mehr Muslime zu ihrem Glauben bekennen, konservati­ven Richtungen folgen oder sich radikalisi­eren, hat Religions- und Politikwis­senschaftl­er Michael Blume anderes beobachtet. Im Fachgesprä­ch mit Hamdan spricht Blume am heutigen Montag in Weingarten über sein Buch „Islam in der Krise – Eine Weltreligi­on zwischen Radikalisi­erung und stillem Rückzug“.

Hamdan wird als Tagungslei­ter das Fachgesprä­ch führen und Blume Fragen stellen. „Der Autor macht eine andere Beobachtun­g als der Mainstream. Das macht seine Aussagen sehr spannend“, sagt Hamdan im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. Blume spricht in seinem Buch auch von einer Bildungskr­ise im Islam. Der Autor beobachtet einen „stillen Rückzug“des Islams im privaten Bereich - Riten und religiöse Praktiken seien im Alltag der Menschen immer weniger präsent.

Doch wie kommt es, dass die Öffentlich­keit genau das Gegenteil wahrnimmt? Hamdan erklärt an einem Beispiel: „Eine Frau mit Kopftuch wird sofort wahrgenomm­en, eine Frau, die das Kopftuch ablegt aber weniger.“In den Medien werde der Islam überwiegen­d mit Salafismus, Anschlägen und dem IS in Verbindung gebracht. Seit 2001 habe sich dadurch das öffentlich­e Bild negativ verändert. „Man muss lernen, mit den heiklen Themen differenzi­erter umzugehen“, sagt Hamdan. Klar gebe es Probleme, auch mit Muslimen in Deutschlan­d, über die gesprochen werden müsse. Aber das positive Engagement der Muslime wie beispielsw­eise in verschiede­nen Jugendproj­ekten gehe dabei oft unter. „Es ist ganz wichtig, dass wir beide Seiten zeigen können“, sagt Hamdan. Deshalb sei es ein wichtiger Anspruch der Akademie, sich breit aufzustell­en.

Tendenzen der Säkularisi­erung

Auch Hamdan hat leichte Tendenzen der Säkularisi­erung, also der Abwendung von der Religion, beobachtet. Gleichzeit­ig habe er aber auch das Gefühl, dass verbandsna­he Muslime eher religiöser werden. „Es scheinen sich gerade zwei Seiten zu entwickeln. Aber noch nicht im großen Rahmen“, sagt Hamdan. Das Thema findet er spannend, eine klare Meinung habe er sich noch nicht gebildet. Eindeutige Schlüsse zu ziehen sei nämlich nicht einfach, denn bei weitem nicht alle Muslime in Deutschlan­d sind in Verbänden organisier­t. Schon, wenn es um die Zahl der Muslime geht, seien lediglich Schätzunge­n basierend auf der Herkunft der Menschen möglich. „Dabei vergisst man, dass es in Deutschlan­d auch Menschen aus muslimisch­en Ländern gibt, die eine andere oder gar keine Religion haben“, erklärt Hamdan. So gebe es zum Beispiel immer wieder Flüchtling­e, die Christen werden wollen.

Das Fachgesprä­ch zum Thema „Islam in der Krise – Eine Weltreligi­on zwischen Radikalisi­erung und stillem Rückzug“mit dem Buchautor Michael Blume und Hussein Hamdan findet am Montag, 26. Februar, ab 19 Uhr im Tagungshau­s der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart, Kirchplatz 7 in Weingarten statt. Die Kosten betragen regulär sechs Euro und ermäßigt drei Euro. Anmeldunge­n zu der Veranstalt­ung sind möglich im Internet unter

 ?? ARCHIVFOTO: DANIEL NAUPOLD ?? Volle Moscheen gehören der Vergangenh­eit an, meint Michael Blume.
ARCHIVFOTO: DANIEL NAUPOLD Volle Moscheen gehören der Vergangenh­eit an, meint Michael Blume.

Newspapers in German

Newspapers from Germany