Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Kein Ende in Sicht
Lothar Wieler, Präsident des Robert-Koch-Instituts, rät zur Schutzimpfung, auch wenn die Wirksamkeit nur moderat sei
Die Grippe überzieht Deutschland. Die Zahl der Infektionen mit den Viren (Foto: shutterstock) liegt laut Robert-Koch-Institut (RKI) aktuell bei circa 120 000 – und wird wohl weiter steigen. RKI-Präsident Lothar Wieler sagte am Donnerstag zur „Schwäbischen Zeitung“: „Die Grippewelle wird auf jeden Fall noch einige Wochen dauern.“Impfungen seien auch jetzt noch sinnvoll.
BERLIN - Die Grippewelle in Deutschland hat einen neuen Höhepunkt erreicht: Allein in der vergangenen Woche verzeichnete das Robert-Koch-Institut (RKI) knapp 35 300 neue Influenzafälle. Wie das RKI am Mittwoch weiter mitteilte, wurden in der aktuellen Grippesaison nun insgesamt mehr als 119 500 Influenzafälle registriert. Benjamin Moscovici sprach mit RKI-Präsident Lothar Wieler über den Stand der Dinge und ob jetzt eine Impfung noch Sinn macht.
Herr Wieler, hat die Grippewelle ihren Höhepunkt erreicht, wie dramatisch ist das Ausmaß?
Die Zahl der Arztbesuche ist in der vergangenen Woche erneut gestiegen und hat den höchsten Wert der vergangenen zehn Jahre erreicht. Die Schwere der Grippewelle lässt sich aber erst nach Saisonende unter Berücksichtigung weiterer Datenquellen bewerten.
Wie können die Menschen sich vor der Grippe schützen?
Der beste Schutz ist die Grippeschutzimpfung. Auch wenn die Wirksamkeit dieser Impfung nur moderat ist, können aufgrund der Häufigkeit der Influenza doch viele Erkrankungsfälle und auch schwere Krankheitsverläufe verhindert werden. In Deutschland sind dies selbst bei den aktuell mäßigen Impfquoten schätzungsweise 400 000 Influenzaerkrankungen pro Jahr bei Personen über 60 Jahren. Zusätzlich gilt: Egal ob geimpft oder nicht, regelmäßiges gründliches Händewaschen und Abstandhalten zu Personen mit Symptomen einer akuten Atemwegserkrankung verringern das Ansteckungsrisiko.
Macht es jetzt noch Sinn, sich impfen zu lassen?
Nach der Impfung dauert es etwa zwei Wochen, bis der Impfschutz aufgebaut ist. Die Grippewelle wird auf jeden Fall noch einige Wochen dauern, sodass man von einer Impfung schon noch profitieren könnte. Aber natürlich wäre die Impfung im Oktober oder November, vor der Grippewelle, sinnvoller gewesen. Daher mein wirklich dringender Appell: Lassen Sie sich zum Schutz vor der nächsten Grippewelle im Herbst dieses Jahres impfen. Die Impfung wird insbesondere chronisch Kranken, Schwangeren und Älteren über 60 Jahre empfohlen, da sie ein erhöhtes Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf haben.
Zu Beginn der Grippewelle gab es Zweifel an der Wirksamkeit des Impfstoffs. Wie hilfreich ist die Impfung wirklich?
Wir haben kürzlich Daten zur Impfeffektivität veröffentlicht. Demnach befindet sich die Wirksamkeit der Grippeschutzimpfung in der aktuellen Grippewelle in einem üblichen Bereich. Zudem verläuft eine Influenzaerkrankung bei geimpften Personen oft milder, also mit weniger Komplikationen.
Seit Kurzem empfehlen Sie einen neuen Vierfachimpfstoff. Müssen die Krankenkassen diese Impfung bezahlen?
Der sogenannte Gemeinsame Bundesausschuss muss innerhalb von drei Monaten nach Inkrafttreten einer neuen Impfempfehlung entscheiden, ob diese Impfung Pflichtleistung der gesetzlichen Krankenversicherung wird. Da die Empfehlung der Ständigen Impfkommission am 11. Januar 2018 veröffentlicht worden ist, hat der gemeinsame Bundesausschuss formal also bis Mitte April Zeit. Je früher die Entscheidung getroffen wird, desto besser können die Impfstoffhersteller planen.