Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
„Der Klimawandel muss gestaltet werden“
Carmen Mundorff, Geschäftsführerin der Architektenkammer Baden-Württemberg, erläutert in Bad Saulgau regionales Bauen
BAD SAULGAU - Bei den sechsten Bad Saulgauer Gesprächen zu Kunst und Kultur im Stadtforum haben sich rund 180 Besucher anhand mehrerer Referate auf die Suche nach der regionalspezifischen Baukultur Oberschwabens begeben. Zu den Referenten zählte auch Carmen Mundorff, Geschäftsführerin der Architektenkammer Baden-Württemberg. SZMitarbeiterin Anita Metzler-Mikuteit hat sich anschließend mit ihr unterhalten.
Frau Mundorff, Sie haben in Ihrem Redebeitrag auch den Klimawandel angesprochen. Welche Veränderungen könnte es mit Blick auf das Bauen zukünftig geben?
Wir können den Klimawandel nicht negieren. Wir müssen ihn gestalten, damit unsere Welt enkeltauglich wird, wie es unsere österreichischen Nachbarn formulieren. Das heißt, wir brauchen kreative Lösungen, mit denen wir die Energiegewinnung ortsbildverträglich gestalten können. Das geht von der gebäudeintegrierten Photovoltaikanlage bis hin zu landschaftsverträglich aufgestellten Windkraftanlagen.
Architektur ist auch immer ein Ausdruck des Zeitgeists. Aktuell scheinen sich zwei Pole zu treffen: eine hohe gestalterische Freiheit, aber auch enorme wirtschaftliche Zwänge. Wie sehen Sie das?
Heute ist es überhaupt kein Problem mehr, zum Beispiel Granit aus China zu holen. In Entwurf und Planung werden jedoch zunehmend regional verfügbare Baustoffe berücksichtigt. Darüber hinaus nehme ich wahr, dass es eine Gegenbewegung zur Technikgläubigkeit gibt. Das bedeutet, dass Architekten und Fachingenieure Konzepte entwickeln, die die Gebäudetechnik auf ein Minimum beschränken. Damit haben sie auch die Gebäudekosten im Blick: zum einen betragen die Kosten für den technischen Ausbau schon heute mehr als die für die reine Gebäudeerstellung. Zum anderen haben technische Anlagen kürzere Lebenszyklen, müssen daher mehr gewartet oder erneuert werden, was höhere Betriebskosten bedingt.
Wie könnte ein typisch oberschwäbisches Haus im Jahre 2030 aussehen?
Eine Erkenntnis der Veranstaltung ist, dass wir uns zunächst jeden Ort und seine topographischen Voraussetzungen anschauen müssen. Wenn man als Beispiel Winterstettenstadt und Bierstetten miteinander vergleicht, durch die ich auf dem Weg nach Bad Saulgau gefahren bin, wird das augenscheinlich. Das typisch oberschwäbische Haus 2030 wird unverkennbar seiner Zeit, aber aus seiner Umgebung heraus entwickelt sein und sich mit Geschichte von Ort und Tradition auseinandersetzen. So habe ich die Hoffnung, dass man die Fortschritte in der Bauwirtschaft auf den jeweiligen Kontext bezogen einsetzt und so eine Gemeinde qualitätsvoll weiterentwickelt.
Wie ist Ihre persönliche Meinung, etwa zu der Dachaufstockung in Ufo-Form in Stuttgart? Sieht so die Zukunft des Wohnens und Bauens aus?
Die Dachaufstockung, die Sie ansprechen, wird sicher noch Nachahmer finden. Bei den vielen Wohnungen jedoch, die wir für die Mitte unserer Gesellschaft brauchen, werden solche Aufstockungen konventioneller ausfallen. Meist wird sich der Baustoff Holz anbieten, da die vorhandene Tragstruktur nur eine leichte Konstruktion verträgt.