Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Beben in der Biathlonwelt
Der Weltverband IBU soll laut WADA gegen Geld gedopte Russen gedeckt haben
SALZBURG/OSLO (dpa/SID) - Verdacht auf Doping und Korruption: Der Biathlon-Weltverband mit dem Präsidenten Anders Besseberg (72) und Generalsekretärin Nicole Resch (42) an der Spitze gerät immer stärker unter Beschuss. Sollten sich die in Österreich erhobenen Vorwürfe bewahrheiten, droht den Angeschuldigten sogar Gefängnis.
„Soweit „nur“Doping vorgeworfen wird: Freiheitsstrafe bis sechs Monate oder Geldstrafe bis 360 Tagessätze; für die Betrugsvorwürfe: Freiheitsstrafe bis drei Jahre; „Korruption“: Freiheitsstrafe sechs Monate bis fünf Jahre“, hieß es in einer Mitteilung der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) in Wien.
Die österreichische Behörde machte zwei Tage nach den Razzien in Österreich, Norwegen und Deutschland die Gründe für das aufsehenerregende Ermittlungsverfahren öffentlich. Neben Top-Funktionären wird auch gegen Betreuer und Sportler des russischen Biathlon-Teams „wegen der Anwendung verbotener Substanzen beziehungsweise Methoden zum Zweck des Dopings, schweren Betruges im Zusammenhang mit Doping und der Geschenkannahme von Bediensteten“ermittelt.
„Der Tatzeitraum betrifft vornehmlich die Biathlon-WM 2017 in Hochfilzen“, die „Korruptionsvorwürfe“würden nach Behördenangaben aber bis 2012 zurückreichen, hieß es. Die IBU teilte mit, dass der Norweger Besseberg, einst selbst Biathlet, sein Amt für die Dauer der Untersuchungen ruhen lässt. Generalsekretärin Resch, eine 42-jährige Thüringerin, hatte wegen der Vorwürfe um Freistellung gebeten und wurde vom IBU-Exekutivkomitee vorläufig suspendiert.
Die IBU hatte im Zuge der Affäre bekanntgegeben, dass das österreichische Bundeskriminalamt gegen Besseberg und Resch ermittele. Nach Informationen norwegischer Medien geht es um 65 von der IBU nicht kon- sequent verfolgte Dopingproben. Besseberg wies den Vorwurf einer Vertuschung zurück. „Ich meine, wir haben die Regeln eingehalten“, sagte er dem norwegischen Sender NRK. Er habe nichts zu verbergen und deshalb auch „mit allem, was ich wusste“auf die Fragen der Ermittler geantwortet.
Es sei schwer zu sagen, ob russische Läufer bei der WM gedopt gewesen seien, da nicht alle Sportler getestet werden könnten. Allen verdächtigen Dopingproben werde aber nachgegangen. Bei der WM in Hochfilzen hatte Russland Gold mit der MännerStaffel und Bronze mit dem MixedTeam gewonnen.
Die Staatsanwaltschaft in Österreich prüft Vorwürfe, die von der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA an den Verband herangetragen worden waren. Die IBU soll nicht angemessen auf die Doping-Verdachtsfälle reagiert haben. Im Gegenzug sollen laut WKStA Bestechungsgelder in Höhe von 300 000 Dollar (242 000 Euro) versprochen oder auch angenommen worden sein. An durch Doping „erschwindelte Preisgelder“seien 35 000 Euro zusammengekommen.
Die WADA hatte in einem 16-seitigen Bericht unter Berufung auf den russischen Doping-Whistleblower Grigori Rodtschenkow und einen nicht genannten Informanten ein verheerendes Bild von der Dopingpraxis im russischen Biathlon gezeichnet. „Hinter den Praktiken stand die Absicht, die russischen Sportler zu schützen“, heißt es in dem Bericht, in den die französische Zeitung „Le Monde“Einsicht hatte: „Herr Besseberg und Frau Resch sind mitschuldig und sehr wohl über das falsche Verhalten des jeweils anderen im Bilde.“
Martin Kuchenmeister, der Resch als Generalsekretär vertritt, sieht durch die aktuellen Vorwürfe keine Zerreißprobe für den Biathlonsport. „Wir müssen jetzt einmal die Ermittlungsergebnisse der Polizei abwarten. Erst dann sehen wir, ob und welche Schritte wir setzen müssen.“Momentan stehe der Verband ohne jegliche Information vonseiten der Behörden da. „Wir wissen derzeit nicht einmal, nach welchen Unterlagen die Ermittler genau gesucht haben“, sagte Kuchenmeister der österreichischen Nachrichtenagentur APA.