Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Alte Rechnungen, neue Schlachten
Was für ein Umgang in der Union! Es ist einfach unwürdig, wenn die Schwesterpartei CSU der Kanzlerin ein Ultimatum setzt, sie solle zwei Wochen oder vielleicht auch etwas mehr Zeit erhalten, die Asylfrage europäisch zu regeln, bevor man Flüchtlinge an den Grenzen zurückweist.
Die CSU geht nun wirklich aufs Ganze. Wenn mit Hans-Peter Friedrich ein früherer CSU-Innenminister öffentlich sagt, er habe ja 2013 nicht ahnen können, dass eine Regierung zwei Jahre später Deutschland mit Hunderttausenden Flüchtlingen „fluten“würde – dann ist das schon bemerkenswert. Zumal die CSU 2015 nicht irgendwo, sondern – ja, richtig – mit in der Bundesregierung saß.
Warum erweckt die CSU durch ihr ständiges Nachhaken den Eindruck, dass vor drei Jahren 80 Flüchtlinge auf einen Deutschen und nicht – wie es wirklich war – ein Flüchtling auf 80 Deutsche kam? Es stimmt, dass auch diese Zahl zu hoch ist und die CSU von Anfang an drängte, sie zu begrenzen. Doch Horst Seehofer hat als Innenminister dazu vielfältige Möglichkeiten: schnellere Verfahren, schnellere Abschiebungen, mehr materielle statt finanzielle Leistungen, Fluchtursachenbekämpfung. All diese Punkte sollen in seinem Masterplan enthalten sein, doch er sucht die Auseinandersetzung mit Merkel über einen einzigen Punkt: Zurückweisung an der Grenze. Das ist die plakativste, aber auch wirkungsloseste Maßnahme. Denn wenn die bei Eurodac gemeldeten Flüchtlinge zurückgewiesen werden, wie schnell würden dann wohl die Italiener Flüchtlinge erst gar nicht mehr registrieren?
Nun wird weiter diskutiert. Wie auch immer der Machtkampf ausgeht, selbst wenn am Ende ein schaler Kompromiss gefunden werden sollte, geschädigt sind jetzt schon alle: Merkel, Seehofer, die CDU, die CSU. Und das politische Klima, das immer mehr vergiftet wird. Wann wird über Mieten und Kitas, über Steuern, Pflege, Renten und Studenten geredet? Eine politische Spitze, die nach Monaten der Regierungsbildung nun schon wieder vor allem mit sich selbst beschäftigt ist, verdrießt bestenfalls die Menschen. Im schlechtesten Fall radikalisiert sie sie.