Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
„Wer recht hat, muss schnell Recht bekommen“
SPD-Rechtsexperte Johannes Fechner verteidigt die vom Bundestag verabschiedete Musterfeststellungsklage
BERLIN - Als Mogelpackung bezeichnet die Deutsche Umwelthilfe (DUH) das am Donnerstag vom Bundestag verabschiedete Gesetz zur Musterfeststellungsklage. „Der Gesetzentwurf ist eine reine Mogelpackung. Anstatt die Rechte der Verbraucher tatsächlich zu stärken, wird mit dem Gesetz, das viele Hürden enthält, den Konzernen abermals ein großzügiges Geschenk gemacht“, sagt Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der DUH. Schlagkräftige und fachlich kompetente Umwelt- und Verbraucherschutzverbände wie die Deutsche Umwelthilfe würden bewusst von der Klageberechtigung ausgeschlossen. Johannes Fechner, rechts- und verbraucherpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, verteidigt das Gesetz. Sabine Lennartz sprach mit dem Abgeordneten aus Emmendingen, der von Beruf Rechtsanwalt ist.
Herr Fechner, nutzt das neue Gesetz jetzt noch den geschädigten Dieselfahrern?
Ja, wir haben es geschafft. Es tritt zum 1. November dieses Jahres in Kraft, sodass die den Dieselkäufern zum Jahreswechsel 18/19 drohende Verjährung der Schadensersatzansprüche unterbrochen wird.
Der einzelne Verbraucher muss aber nach der Musterfeststellungsklage selbst noch einmal klagen, oder?
Nicht unbedingt. Der Sinn ist, dass anstelle des Verbrauchers das Musterverfahren feststellt, ob und wann ein Abgaswert manipuliert war. Der Verbraucher kann das im Musterprozess ergangene Urteil für sich nutzen, wenn er sich ins Prozessregister hat eintragen lassen. Wenn das Urteil ergangen ist, wird ein vernünftiges Unternehmen freiwillig Zahlungen leisten. VW wird zum Beispiel, falls man den Musterprozess verliert, nicht so blöd sein, 10 000 einzelne Prozesse einzugehen, sondern in einem Vergleich Zahlungen anbieten. Wenn nicht, kann der Verbraucher mit dem Musterurteil in der Tasche ohne großes Risiko einen Prozess anstrengen. Der geht dann schnell, weil es nur noch um die Schadenshöhe geht. Die Verbraucherzentrale leitet im November ein Musterverfahren für VW-Geschädigte ein, sodass man sich dann im November beim Bundesamt für Justiz in das Klageregister eintragen lassen kann.
Ist das Musterfeststellungsverfahren eine Lex VW?
Nein, wir haben zwei Fallgruppen im Auge. Der Verbraucher, der sich einem großen Konzern gegenübersieht, gegen den er nicht ankommt. Aber auch Menschen, die wegen kleiner Beträge wie 50 Euro nicht klagen wollen, zum Beispiel gegen ein Telekommunikationsunternehmen. Auch hier kann man sich in ein Prozessregister eintragen lassen und sich, wenn die Verbraucherzentrale gewinnt, immer noch überlegen, ob man klagen will. Unter dem Strich gilt der Grundsatz: Wer recht hat, muss Recht bekommen, und das schnell und ohne großes Kostenrisiko.