Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Lindauer rettet Urlauber vor Ertrinken
80-Jähriger gerät beim Baden in der Argen bei Langenargen in Panik und wird ohnmächtig
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LANGENARGEN/LINDAU - Gleich zwei Schutzengel aus Lindau haben über Karl Radermacher gewacht, als er Anfang Juli in Oberdorf bei Langenargen fast in der Argen ertrunken wäre. Der eine zog den 80Jährigen, der in Panik geraten war und mit dem Gesicht nach unten im Wasser trieb, aus dem Fluss, die andere leistete Erste Hilfe. Jetzt hat sich der Urlauber aus Köln an die Schwäbische Zeitung gewandt, um seinen Rettern noch einmal und ganz öffentlich zu danken.
Es waren viele gute Zufälle, die ihn am Leben gehalten haben, schreibt Karl Radermacher in einem Brief. Und tatsächlich: Angefangen bei dem Lindauer, der seine Mittagspause an der Argen verbrachte und den Urlauber aus der Argen zog, bis hin zur Ärztin, ebenfalls aus Lindau, die gerade an dem Fluss spazieren ging, den Mann versorgte und den Rettungsdienst alarmierte – für den 80-Jährigen war die Zeit offenbar noch nicht abgelaufen. Im Gespräch mit der Lindauer Zeitung schildern die drei Menschen, deren Wege sich so glücklich unglücklich kreuzten, wie sie den Badeunfall jeweils erlebten.
Anfang Juli, an einem dieser heißen Sommertage, beschloss Karl Radermacher um die Mittagszeit herum, zur Abkühlung erstmals ein Bad in der Argen zu nehmen. Der 80-Jährige aus Köln befand sich mit seiner Lebensgefährtin im Urlaub in Oberdorf, wie regelmäßig in den vergangenen 18 Jahren. Am Tag zuvor hatte er beobachtet, wie mehrere Menschen in der Nähe der „Roten Brücke“an einem kleinen, steinigen Strand in den Fluss stiegen – und tat es ihnen nach. „Ich wohne am Rhein und bin früher oft ans andere Ufer geschwommen. Da erschien mir die Argen keine große Herausforderung zu sein“, erzählt Karl Radermacher.
„Ich geriet in Panik, erlitt einen Schock, wurde ohnmächtig“
Er kühlte sich ab, die Wassertemperatur lag bei frischen 13 Grad, ließ sich hinein, machte einige Züge und hatte schnell keine Bodenhaftung mehr – „was auch so gedacht war, ich hatte ja vor, zu schwimmen“. Doch als der 80-Jährige zurück ans Ufer wollte, an dem seine Partnerin wartete, kam bei ihm plötzlich das Gefühl auf, dass ihn ein Sog unter Wasser ziehen würde: „Ich geriet in Panik, erlitt einen Schock, wurde ohnmächtig und muss dann bäuchlings mit dem Gesicht nach unten auf dem Wasser getrieben sein“, berichtet der Kölner.
An genau dieser Stelle kommt ein Lindauer ins gefährliche Spiel, der an den Strand und sich ins Wasser stürzte, um den Urlauber aus dem Fluss zu ziehen. „Er war bewusstlos, ich habe in leicht auf die Wangen geschlagen und zur Seite gedreht“, sagt der Mann, der anonym bleiben will. Dass er in höchster Not zur Stelle war, ist nicht selbstverständlich. Der 50-Jährige arbeitet in Kressbronn und verbringt seine Mittagspause öfters, aber nicht immer an der Argen. Dort geht er normalerweise am Fluss entlang und isst eine Kleinigkeit. An besagtem Tag setzte er sich ungewöhnlicherweise auf eine Bank oberhalb der Badestelle. Der Grund: Er beobachtete das Paar aus Köln am Strand und ihm zufolge sagte eine innere Stimme zu ihm: „Bleib’ dabei und schau zu, was die machen.“
Zuerst war nichts ungewöhnlich, der 80-Jährige sei gut geschwommen, „und ich habe zwischen den Ästen und Blättern eines Baumes seine Füße im Wasser strampeln gesehen“, erinnert sich der Lindauer. Auf einmal sei jedoch keine Bewegung mehr auszumachen gewesen. Das Alarmsignal für den 50-Jährigen, der sofort startete: „Ich bin runter zum Strand, da lag er schon mit dem Gesicht im Wasser und seine Lebensgefährtin versuchte, ihm zu helfen, bekam ihn aber nicht heraus.“Er streifte lediglich seine Schuhe ab, sprang völlig angezogen ins Wasser und verfrachtete Karl Radermacher irgendwie an Land.
Danach sprintete der Retter auf den Weg zurück, schrie um Hilfe und traf auf eine Ärztin, die auch aus Lindau stammt, und mit ihrer Schwiegermutter und dem Hund des Nachbarn spazieren ging: „Ich bin sonst mittags nie dort“, sagt die Frau, die ebenfalls nicht mit Namen genant werden will. Die Medizinerin rief die Einsatzdienststelle an, schickte den 50-Jährigen vor zur Straße, um Notarzt und Rettungswagen abzupassen und eilte Karl Radermacher zu Hilfe. „Im ersten Moment, sah es nicht gut aus“, erläutert sie. Nachdem sie Beine und Becken nach oben gehalten habe, „hat der Mann aber Wasser gespuckt und spontan geatmet. Es war keine Reanimation nötig, der Puls ging regelmäßig“. Bei Eintreffen der Notärztin sei er ansprechbar gewesen, und seine Sauerstoffsättigung habe 97 Prozent betragen.
Nach einer Nacht auf der Intensivstation konnte Karl Radermacher das Tettnanger Krankenhaus wieder verlassen und wenige Tage später nach Hause fahren. Die Diagnose: „Ich hatte wohl einen Kreislaufkollaps.“Sein folgenschweres Bad, das ihn fast das Leben kostete, habe er noch nicht verdaut. Mit tränenerstickter Stimme erklärt der Kölner: „Ich kann meinen Rettern gar nicht genug danken“– bei einem persönlichen Treffen, in Telefongesprächen und Briefen hat er zumindest einen Anfang gemacht. Der Lindauer, – der sich nach der Rettungsaktion von seinem Sohn trockene Kleider bringen ließ, um nach der Mittagspause mit leichter Verspätung wieder an die Arbeit zu gehen, – ist ebenfalls noch hörbar gerührt und sagt: „Das Helfen war nichts Besonderes, das hätte jeder gemacht. Aber das Ergebnis ist großartig.“Emotional fällt verständlicherweise auch das Fazit der Ärztin aus, die sich „riesig darüber freut“, dass Karl Radermacher keine bleibenden Schäden zurückbehalten hat. Ihre Erklärung: „Im Himmel war noch kein Platz für ihn frei.“