Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Eine Geschichte von gestern für heute erzählt
Spike Lee gelingt mit „BlacKkKlansman“ein grandioses Comeback
Ein schwarzer Polizist wird als verdeckter Ermittler in den Ku-Klux-Klan eingeschleust, jenen rassistischen gewalttätigen Bund, der bis heute durch Lynchmorde von sich reden macht. So eine Geschichte würde normalerweise sofort als „zu unrealistisch“, als „ausgedacht“und „konstruiert“verworfen – entspräche sie nicht in allen nachweisbaren Einzelheiten den Tatsachen. Wer könnte diese absurde Episode aus der Geschichte des amerikanischen Rechtsextremismus und Rassismus besser erzählen als Spike Lee, das Enfant terrible Hollywoods, einer der politischsten Regisseure Amerikas und einer der ganz wenigen Schwarzen, die sich im von Weißen dominierten Filmbetrieb durchgesetzt haben.
Der Held heißt Ron Stallworth und ist der erste schwarze Polizeidetektiv seiner Einheit. Zusammen mit seinem jüdischen Kollegen Flip Zimmerman (Adam Driver) infiltriert er die Rassisten. Gespielt wird dieser Ron Stallworth von keinem anderen als dem Sohn von Spike Lees Lieblingsdarsteller Denzel Washington: John David Washington.
Im Folgenden tauchen sie in das durch Hassprediger aufgeheizte Klima der US-Südstaaten ein, und erfahren mehr über die Untergrundaktivitäten des Klan. Am Ende verhindern ein schwarzer Christ, ein weißer Jude und eine schwarze Kommunistin einen Terroranschlag.
„BlacKkKlansman“ist ein wilder, schriller Film, und das ist ganz angemessen, denn die tatsächlichen Ereignisse waren nicht minder ungeschlacht. Zugleich ist der Film auch dicht, witzig und mitreißend. Dazu gehört etwa jene Szene, in der Ron telefonisch mit dem lokalen KKK-Präsidenten Kontakt aufnimmt und zur Verblüffung seiner Kollegen derart überzeugend einen White-TrashRedneck mimt, dass er von diesem gleich in die nächste Versammlung eingeladen wird.
Schweres Kinogeschütz
Vor allem ist „BlacKkKlansman“aber wütend und dadurch aufwühlend. Auch das illustriert eine Szene, die man nicht wieder vergessen wird: Harry Belafonte, der große alte Mann des schwarzen US-Kinos, erzählt in einem Studentenseminar der Black Panther die Geschichte eines bekannten historischen Lynchmords an einem Behinderten in allen ihren schockierenden Einzelheiten. Parallel dazu schneidet Lee in einer drastischen Montagesequenz zu den Fanatikern der White Power, bei denen eine Filmvorführung von D. W. Griffith berühmt-berüchtigtem Film „Birth of A Nation“von 1915 läuft. Dieser Film trug übrigens ursprünglich den Titel „The Clansman“. Dies ist also auch ein Film, aus dem man etwas lernen kann: Wie zu seinen besten Zeiten in den frühen 1990erJahren, als er mit „Doin’ The Right Thing“und „Malcolm X“das amerikanische Independent-Kino neu begründete, fährt Spike Lee schweres Kinogeschütz auf.
In Stil und Inszenierung und darin, dass er auf 35-mm-Material gedreht hat, orientiert sich der Regisseur an dem Kino, das gerade Anfang der 1970er-Jahre, zur Zeit der Ereignisse, neu aufkam: Blaxploitation hieß die Welle, durch die das schwarze Amerika erstmals eine Kinostimme bekam. Und die weibliche Hauptdarstellerin des Films, Laura Harrier, die die Präsidentin der örtlichen Abteilung der Black Panther spielt, ist in ihrem Aussehen bewusst der Blaxploitation-Ikone Pam ,Grier, in ihren Reden der Politaktivistin und Philosophin Angela Davies nachempfunden.
Trotz aller offenkundigen Parallelen schlägt der Film mehrfach auch eine direkte Brücke zur Gegenwart des America First, das von den meisten Schwarzen zu Recht als Machtschrei des weißen Amerika verstanden wird: Daher zeigt er in einem Epilog Aufnahmen vom NeonaziAufmarsch in Charlottesville im August 2017, als einer der Rechtsextremisten gezielt mit dem Auto in die Menge der Gegendemonstranten fuhr und dabei eine Frau tötete. Dazu wird dann Donald Trump mit seinem unsäglichen Satz zitiert, indem er von der „Schuld auf beiden Seiten“sprach.
So ist Spike Lee nach Jahren, die er mit dokumentarischen Fernseharbeiten verbrachte, ein grandioses Comeback geglückt. Er verbindet klassische Verfremdungseffekte, einen mitreißenden Soundtrack und filmhandwerkliche Eleganz zu einer inspirierten und inspirierenden Parabel auf das gegenwärtige Amerika, die gleichzeitig ein wunderschöner, spannender und sehr unterhaltsamer Film ist.
BlacKkKlansman. Regie: Spike Lee. Buch: Charlie Wachtel, David Rabinowitz, Kevin Willmott, Spike Lee. Mit: John David Washington, Adam Driver, Topher Grace, Laura Harrier, Robert John Burke, Alec Baldwin, Harry Belafonte. USA 2018. 134 Minuten. FSK: ab 12 Jahre.