Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Im Fahrradsattel durch Tschechien
Radwandern entlang der Elbe führt von einem Höhepunkt zum nächsten
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KUKS (dpa) - Das Grün der Elbauen, barocke Stadtarchitektur, die Basaltfelsen des böhmischen Mittelgebirges: Der tschechische Teil des Elberadwegs verspricht Höhepunkte.
Leider regnet es in Strömen. Tourguide Sven Czastka schlägt deshalb vor, den ersten Abschnitt der Mehrtagesroute von der Elbquelle bei Spindlermühle im Riesengebirge bis nach Kuks zu überspringen. „Es kann ja wohl nicht fünf Tage am Stück regnen“, sagt er. Zumindest in Kuks aber bleibt das Wetter schlecht. Bevor die ersten Kilometer auf dem Elberadweg gemacht sind, zieht es uns deshalb erst einmal in das barocke Kloster, das einst ein Hospital für bedürftige Männer war und aufwendig renoviert wurde. Zu sehen gibt es Wandgemälde und Skulpturen aus dem 17. Jahrhundert. In den Wandelgängen und in der Dreifaltigkeitskirche versinnbildlichten Maler und Steinmetze in ihren Kunstwerken die menschlichen Tugenden und Laster. Damit sollten die Mönche und Verwundeten aus den Türkenkriegen angehalten werden, sich ihrem Schicksal zu fügen.
Süße Trösterchen
Demut ist auch auf dem Teil des Elberadwegs gefragt; von den 370 geplanten Kilometern sind bereits 167 als fester Radweg ausgebaut. Dicke Tropfen prasseln auch tagsdrauf auf den Asphalt. Nach 38 Kilometern sind die Finger klamm. Glücklicherweise hat Jiri Stejskal in Hradec Kralove vor sechs Jahren seine Chocolaterie „Jordi’s chocolate“eröffnet. Er begrüßt die durchnässten Radler mit Chili-Schokolade und Rum, der den Körper wärmt. Die letzten Kilometer bis Pardubice lassen sich mit dem Zug abkürzen. Und dort warten Gulasch mit Knödeln und ein Bier.
Am nächsten Morgen ist der Himmel zwar noch grau, aber er hat seine Schleusen geschlossen. Zeit für einen Abstecher zur Pferderennbahn von Pardubice. Dort tragen gerade Einspänner mit sportlichen Kutschen einen Wettkampf aus. Einige Kilometer weiter führt die Route am Nationalgestüt von Kladruby vorbei. Mit wehenden Mähnen tollen leichtfüßige Altkladruber auf den sattgrünen Koppeln – eine der ältesten europäischen Pferderassen, die wegen ihres ausgeglichenen Charakters gerne bei Zeremonien an Königshöfen eingesetzt werden.
Weiter geht es jedoch im Sattel des Elektrofahrrads. Das Tagesziel ist Kutna Hora. Die Stadt liegt etwas abseits der Elbe, aber der Umweg lohnt sich. Silber machte Kutna Hora Ende des 13. Jahrhunderts zu einer der reichsten Städte Böhmens. Heute gehört die Altstadt zum Welterbe der Unesco, und der Dom der heiligen Barbara versetzt Besucher ins Staunen. Stolz aufragende Kirchen, sorgsam renovierte Barockgebäude, der Welsche Hof als einstige Münzprägestätte, die Reste der Burganlage und ein beeindruckendes Jesuitenkolleg machen aus der Stadt ein Freilichtmuseum. Hier kommt endlich auch die Sonne heraus und setzt die Fassaden kunstvoll in Szene.
Auf dem Weg über Brandys nad Labem nach Melnik geht es in Stara Boleslav an der Basilika vorbei, an deren Pforte einst Wenzel, der tschechische Nationalheilige, von seinem Bruder ermordet worden sein soll. Hinter Kostelec folgt ein steiniger, holpriger Weg. In den schmalen Fahrrinnen erweist sich das schwere und damit nicht sehr wendige E-Bike als unvorteilhaft. Bald kann man auf die Landstraße ausweichen. Nach etwa 70 Kilometern ist Melnik erreicht, das eine schöne Innenstadt und einen tollen Blick auf den Zusammenfluss von Elbe und Moldau bietet.
Ein mulmiges Gefühl kommt in Terezin auf, besser bekannt unter dem einstigen deutschen Namen Theresienstadt. Die Nationalsozialisten machten die Stadt zu einem Konzentrationslager für die Juden Böhmens und Mährens. Von rund 141 000 in Theresienstadt internierten Juden überlebten nur rund 19 000. Mehr als 33 000 Menschen starben dort, etwa 88 000 wurden deportiert und dann in anderen Lagern getötet. Kurz hinter der Stadt beginnt der schönste Abschnitt der Radtour. An den Ausläufern des böhmischen Mittelgebirges geht es erst an Hopfenfeldern vorbei und dann zu Weingütern. Vor langer Zeit reihte sich hier ein Vulkankegel an den anderen. Die vulkanische Asche gibt dem Boden noch heute eine besondere Mineralität, die auch dem Wein zugute kommt. Grund genug, um in Velke Zernoseky eine Pause einzulegen – für einen Grauburgunder.
Radlerpause auf dem Schiff
Von Cirkvice nach Usti nad Labem geht es mit dem Boot von Ivo Jirousek, der „Marie“. Jirousek ist eigentlich Kfz-Mechaniker und OldtimerSammler. Als er erfuhr, dass die 1908 gebaute „Marie“in Stücke geschnitten werden sollte, entschloss er sich, das Schiff zu retten und baute kurzerhand einen Traktormotor ein. Per Boot kann die Landschaft nun vom Wasser beobachtet werden. Rechts und links tauchen kleine Ortschaften auf, die von Streuobstwiesen umgeben sind. Hier, hinter der Porta Bohemica, herrscht ein mildes Klima. Der Ort Dolni Zalezly galt einst als das böhmische Meran. Unterhalb der Schreckensburg in Usti legt das Boot an, um die Radler an Land zu lassen. Jirousek empfiehlt einen Besuch der Burg. Von oben hat man eine gute Sicht auf die Industriestadt, die zunächst nicht allzu spannend wirkt. Die Innenstadt präsentiert dann aber eine interessante Mischung aus Barock, Jugendstil und Plattenbau.
Die letzte Etappe führt über 28 Kilometer von Usti nach Decin. Hier geht es sportlich zu: Auf der Elbe sind viele Kajakfahrer und Menschen in Schlauchbooten unterwegs. Mountainbiker und Wanderer zieht es auf die Sandsteinkämme, es gibt Klettersteige. Von Decin aus sind es nur noch wenige Kilometer bis Schmilka auf deutscher Seite. Hier türmen sich die Sandsteinfelsen beiderseits der Elbe auf. Die Natur zeigt sich auf dem letzten Abschnitt dieser 243 Kilometer langen Radtour noch einmal von ihrer schönsten Seite.
Weitere Informationen: Tschechische Zentrale für Tourismus, Wilhelmstraße 44, 10117 Berlin,Tel.: 030/2044770, www.czechtourism.com