Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Butler-, aber nicht fehlerfrei
Sebastian Vettel und Ferrari in Monza: Alles läuft falsch
MONZA (dpa/SID) - Sebastian Vettel steckt in der Beziehungskrise. Ferraris unterlassene Hilfeleistung in Monza erzürnte den Deutschen gewaltig. „Ich habe den Leuten, die es betrifft, meine Meinung gesagt“, versicherte Vettel nach dem Desaster beim Formel-1-Heimspiel der Scuderia. Der Verzicht des Teams auf eine Stallregie zugunsten seines Titeljägers und dessen neuerlicher Fahrfehler haben Ferrari an den Rand des WM-Scheiterns gebracht. „Alles läuft falsch bei den Roten“, jammerte die „Gazzetta dello Sport“und titelte: „Ferraris Eigentor“.
Die furiose Triumphfahrt von Mercedes-Pilot Lewis Hamilton wirkte für Vettel und die Tifosi wie ein Stich ins rote Herz. „Ich werde das nie vergessen“, beteuerte der glückstrunkene WM-Spitzenreiter. Seinen fünften Sieg in Monza hatte der Brite gefeiert; „das Rennen seines Lebens!“, schwärmte die „Daily Mail“. Dass Hamilton vor den letzten sieben Saisonläufen bereits 30 Punkte vor Vettel liegt, verdankt er aber nicht allein seiner beeindruckenden Fahrkunst.
Den Weg zur möglichen Vorentscheidung im Titelduell hatte ihm das Versagen bei Ferrari geebnet. Ausgerechnet die Italiener, die zu ihren Glanzzeiten alles dem Erfolg von Rekordchampion Michael Schumacher unterordneten und per Teamorder die Gewinnchancen maximierten, ließen sich in Monza von Mercedes strategisch vorführen. Der in der WM chancenlose Kimi Räikkönen durfte in Vettels Windschatten auf die Pole Position fahren und brachte den Hessen so am Start in die Bredouille. Prompt patzte Vettel unter Druck erneut, krachte in Hamiltons Mercedes – und sah als Vierter seine Hoffnungen schwinden. Im Kreuzverhör danach musste sich der glücklose Ferrari-Teamchef Maurizio Arrivabene immer wieder fragen lassen, warum er das Fiasko nicht per Stallregie verhindert hatte. „Wir beschäftigen Piloten“, dozierte der 61-Jährige. „Keine Butler.“
Dabei hat die jüngere Vergangenheit (Stichworte: Rubens Barrichello und Felipe Massa) das Gegenteil bewiesen. Hier könnte indes ein weiteres Problem für Arrivabene liegen, denn Räikkönen lässt sich womöglich bald gar nichts mehr befehlen. Der 38-Jährige steht bei Ferrari anscheinend vor dem Aus zum Saisonende, Sauber-Talent Charles Leclerc soll bereits einen Vorvertrag als Nachfolger haben. Gut für die Stimmung ist die offiziell ungeklärte Zukunft Räikkönens auf keinen Fall.
Sebastian Vettels Unmut über die verweigerte Rückendeckung passt ins Bild eines schlecht geführten Teams. „Ich erwarte mir nichts, habe noch nie etwas geschenkt bekommen“, erklärte er vielsagend. Dass er im Zweikampf mit Hamilton nicht in einer stärkeren Position ist, hat sich der 31-Jährige aber auch selbst zuzuschreiben. Nach Patzern in Aserbaidschan, Frankreich, Österreich und Hockenheim ging auch der Crash mit Hamilton auf sein bedenklich überzogenes Fehlerkonto. „Es muss“, sagte Lewis Hamilton im Ziel, „furchtbar für ihn sein.“