Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Bahnchef gerät nach Brief an Führungsriege unter Druck
Lutz sorgt sich um wirtschaftliche Stabiliät – Opposition fordert Bund zum Handeln auf
BERLIN (AFP) - Nach dem Brief von Bahn-Chef Richard Lutz an die Führungskräfte zur schwierigen Lage des Unternehmens haben SPD und Grüne Konsequenzen von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) gefordert. Der Minister sei als „Vertreter des Eigentümers“Bund in der Verantwortung, sich um die Bahn AG zu kümmern, sagte SPD-Fraktionsvize Sören Bartol. Die Gewerkschaft EVG forderte vom Bahnvorstand am Dienstag eine „Trendwende“in Sachen Pünktlichkeit und Qualität.
Am Montag war ein Brief von Lutz und seinen fünf Vorstandskollegen an die Führungskräfte der Bahn bekannt geworden, in dem der Unternehmenschef die „verschlechterte“Lage schildert und einen härteren Sparkurs ankündigt. Der Staatskonzern liege bei der Pünktlichkeit und beim Gewinn deutlich unter den selbst gesteckten Zielen, heißt es in dem Schreiben. Er fürchte um die wirtschaftliche Stabilität.
„Schillerndes Alarmsignal“
„Wir brauchen eine funktionierende Deutsche Bahn, damit wir flächendeckend in ganz Deutschland Stadt und Land zuverlässig an den Schienenverkehr anbinden können“, sagte SPD-Fraktionsvize Bartol. Die Führungskräfte müssten stärker zum Erreichen volkswirtschaftlicher Ziele verpflichtet werden – etwa der Steigerung des Marktanteils der Schiene, sagte der SPD-Politiker. Dazu sei im Koalitionsvertrag eine Satzungsänderung verabredet worden. Minister Scheuer habe dafür „bisher noch keinen Vorschlag“vorgelegt.
Der Grünen-Verkehrspolitiker Cem Özdemir bezeichnete den Brief als ein „schrillendes Alarmsignal in Richtung Bundesregierung, das selbst von einem CSU-Verkehrsminister nicht mehr länger überhört werden kann“. Die Ursache des Problems liege zum einen darin, dass die Politik seit Jahren einseitig auf den Straßenverkehr setze. Außerdem sei der Konzern gescheitert, die Bahn zu einem „international agierenden Logistikchampion umzubauen.“
Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) mahnte, im Mittelpunkt müssten „Pünktlichkeit und Qualität“der Bahn stehen, das sei der Schlüssel zum Erfolg. Die Führungskräfte müssen endlich raus aus ihren Bürotürmen und wieder mehr auf die Eisenbahnerinnen und Eisenbahner hören“, forderte der EVG-Vorsitzende Alexander Kirchner. Letztlich sei aber auch der Bund als Eigentümer gefordert.
Ein Bündnis von Bahnverbänden bescheinigte der neuen Regierung seit ihrem Amtsantritt unterdessen eine „neue Ernsthaftigkeit“in der Eisenbahnpolitik, mahnte aber ebenfalls mehr Entschlossenheit bei der Verkehrswende an. Nötig sei „mehr Kostengerechtigkeit im Verkehr“. Die Mittel für die Schiene bis 2021 würden weiter sinken, während für den Autobahnbau „Rekordsummen fließen“, kritisierten die Verbände, darunter die Allianz pro Schiene, der Verband der Bahnindustrie und der Verkehrsclub Deutschland.