Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Heldinnen des Alltags
Stiftung „pro arte“in Biberach zeigt Darstellung von Mutter und Kind im Wandel der Zeit
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BIBERACH - Rabenmütter oder Übermütter – Müttern kann man immer etwas vorwerfen: Entweder, dass sie ihre Kinder wegen ihrer Karriere vernachlässigen, oder aber, dass sie sich zu viel um ihren Nachwuchs kümmern, was auch schlecht ist. Man könnte Mütter aber auch einfach als Heldinnen betrachten, wie die Künstlerin Betty Böhm. Die 39-jährige gebürtige Reutlingerin hat für eine Serie eine stillende Mutter in einem Eichenhain fotografiert. Zärtlich hält sie ihr Kind im Arm. Eingehüllt sind die beiden in eine goldene Rettungsfolie, die sich wie ein Schleier um den Kopf der Frau und ihren ansonsten nackten Körper legt. Im Hintergrund ist ein rot-weiß-gestreiftes Absperrband zu sehen. Eine Flüchtlingsmutter wird hier zur Madonna erklärt, die – was auch immer passiert – sich liebevoll um ihr Kind kümmert und es vor den Gefahren zu schützen versucht. Böhms Fotos sind Teil der neuen Ausstellung „Bemuttert“in der „pro arte“-Stiftung der Kreissparkasse Biberach.
Elementares Motiv in der Kunst
Die Darstellung von Mutter und Kind war in der Kunst schon immer ein Thema. Wie im echten Leben ist es auch in der Kunstgeschichte eines der elementarsten Motive überhaupt. Mit dem Wandel der Zeit ändern sich allerdings die Blickwinkel und Wahrnehmungen auf/von Mutter und Kind. Aus dem biblischen Heilsgeschehen wird eine häusliche Szene, und seit der Klassischen Moderne dient die Mutter auch als Symbol für die Härte des Lebens.
Die Ausstellung in Biberach vereint Arbeiten von 21 Künstlerinnen und Künstlern aus Moderne und Gegenwart, wobei Kuratorin Barbara Renftle diesmal auch tief in den Fundus der Sammlung der Kreissparkasse Biberach und der Stiftung „S BC – pro arte“gegriffen hat. So mischen sich Leihgaben aus eigenen Beständen mit Werken aus privater und öffentlicher Hand. Dass bei dem Motto „Bemuttert“die Figuration im Vordergrund steht, liegt nahe. Wobei die Ausstellung keine Schwangeren, sondern ausschließlich Mütter mit Kindern zeigt.
Das älteste Bild stammt vom Biberacher Carl Müller aus dem Stadtmuseum. Seine Darstellung der Maria mit dem Jesusknaben (um 1900) erinnert in Malweise und Komposition an Vorbilder der italienischen Renaissance. Auch Karl Caspar hält sich in seinem Glasfenster von 1920 an den Typ der Madonna, obwohl die Formen bereits abstrahiert sind. Szenen der innigen Verbundenheit zwischen Mutter und Kind gibt es ebenso von Ida Kerkovius, HAP Grieshaber oder Sepp Mahler zu sehen. Erst bei den Arbeiten der zeitgenössischen Künstler zeigen sich Risse. Ilona Amann aus Leutkirch im Allgäu etwa deutet in ihren Collagen mit Nähten auf Verletzung und Leid hin. Noch krasser formuliert es Klaus Prior. Unter dem Eindruck der Gräueltaten während des Balkankriegs entstand 1995 die Großskulptur „Pietà“. Eine kleine Interpretation in Holz zeigt in Biberach den Körper eines Kinder, der den Händen der Stehenden zu entgleiten droht. Beide Figuren sind durch Schnitte mit der Motorsäge bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt. Auch Hermann Weber thematisiert mit dem Plakat einer Flüchtlingsfrau mit Kind und dem Schriftzug „Help“das Schicksal von Müttern auf der Flucht vor Tod, Hunger und Gewalt.
Zwischen Liebe und Ablehnung
Andere Künstler der Gegenwart rücken die Alltagsmutter in den Mittelpunkt ihrer Darstellung. Bei Isabelle Roth ist die tiefe Hingabe und zwischenmenschliche Liebe zu spüren, während Irene Fastner die Lebenswelt der Frau mit ironischen Anspielungen versieht. Ihre Mütter sind eigensinnige Charaktere, denen die Kinder fremd sind. Selbst wenn sie ihren Nachwuchs berühren, dominiert der Eindruck von Beziehungslosigkeit.
Kuratorin Barbara Renftle ging es bei der Auswahl der Arbeiten nicht um die Einzigartigkeit der künstlerischen Positionen. Wichtiger war Renftle ein breites Spektrum unterschiedlicher Perspektiven auf Mutter und Kind und das Thema Fürsorglichkeit. Entstanden ist eine facettenreiche Ausstellung, die einen mal schmunzeln, mal frösteln lässt und von einer kulturgeschichtlichen Untersuchung im Katalog ergänzt wird.
Die Ausstellung „Bemuttert“in der Stiftung S BC - pro arte dauert bis 23. November, Öffnungszeiten: Di., Do. und Fr. 13-17 Uhr sowie nach telefonischer Vereinbarung 07351/570 3319, Katalog: 8 Euro.