Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Macron steht vor einem schwierigen Neustart
G● erade sein Elan war es, der Emmanuel Macron vor fast anderthalb Jahren zum Präsidenten Frankreichs machte. 16 Monate später ist von dem jugendlichen Schwung des politischen Quereinsteigers nur wenig übrig geblieben.
So wenig, dass Macrons Vertrauter Richard Ferrand in einem Interview fordert: „Wir brauchen frischen Wind.“Der soll von der Regierungsumbildung kommen, die der Staatschef seit einer Woche vorbereitet. Vor einigen Tagen war sein Innenminister Gérard Collomb zurückgetreten, um erneut Bürgermeister in seiner Heimatstadt Lyon zu werden. Der Abgang seines väterlichen Freundes war ein schwerer Schlag für Macron. Doch der Staatschef, seit der Affäre um seinen prügelnden Leibwächter im Umfragetief, will nun aus der Not eine Tugend machen. Eine groß angelegte Kabinettsumbildung soll zeigen, dass die Schwierigkeiten des Spätsommers hinter ihm liegen. Als Ende August der beliebte Umweltminister Nicolas Hulot zurücktrat, sperrte sich Macron noch gegen eine größere Regierungsumbildung. Nun sollen nicht nur Collomb, sondern auch andere Minister ersetzt werden. So scheint der Abgang von Kulturministerin Francoise Nyssen sicher zu sein. Auch Landwirtschaftsminister Stéphane Travert und der Minister für territorialen Zusammenhalt, Jacques Mézard, könnten die Regierung verlassen.
Bei der Rekrutierung der Nachfolger tut sich Macron allerdings schwer. Vor allem für den heiklen Posten des Innenministers, den seit Collombs Rücktritt Regierungschef Edouard Philippe besetzt, gibt es keinen eindeutigen Kandidaten. Allen Namen, die zirkulieren, haftet ein Makel an. So gehören beispielsweise der frühere Polizeichef Frédéric Péchenard oder der ehemalige Vize-Generalsekretär des Elysée, Jean Castex, zur Garde des konservativen Ex-Präsidenten Nicolas Sarkozy. Macron sieht sich aber als „weder rechts noch links“und will seinem Kabinett mit konservativen Neuzugängen keine Schlagseite verschaffen.
Fehlende politische Erfahrung
Auch Mitglieder der Zivilgesellschaft sind für den Präsidenten nicht ohne Risiko. Ihnen fehlt die politische Erfahrung, wie die frühere Verlegerin Nyssen gezeigt hat. „Die Tragikomödie dauert seit einer Woche“, kritisierte der Fraktionschef der Republikaner, Christian Jacob, die lange Entscheidungsphase. „Sie sind unfähig, Frankreich eine glaubwürdige Regierung vorzuschlagen.“
Generell fehlt es dem Präsidenten, dessen Zustimmungswerte von 46 Prozent im Mai auf nun 33 Prozent absackten, an begabten Politikern. Seine junge Partei La République en Marche hat kaum Talente hervorgebracht. Die wenigen, die sich einen Namen machen konnten, drohen bei den Kommunalwahlen 2020 von Bord zu gehen.
Das größte Problem ist für Macron allerdings sein eigener Führungsstil. Laut einer Umfrage des Instituts Ifop hält ihn die Mehrheit der Franzosen für arrogant und fernab der Realität. Er hat ein Image als „Präsident der Reichen“, das er der Abschaffung der Vermögenssteuer und Kürzungen für Rentner und Studenten verdankt.
Zweifel kann der Präsident nur zerstreuen, wenn er sich einer Übung unterzieht, die er scheut: Er muss den Franzosen seine Politik erklären. Und zwar nicht als Oberlehrer mit erhobenem Zeigefinger, wie er es bei den Begegnungen auf der Straße gerne tut. Macron muss mit seinen Landsleuten auf Augenhöhe reden.