Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Ein Gefühl wie Heimkommen
Tagespflege – ein Angebot, das Menschen mit Betreuungsbedarf guttut und pflegende Angehörige entlastet
Daheim wäre ich vor Einsamkeit fast krank geworden. Hier, in der Tagespflege, habe ich immer Menschen um mich, da ist man nie allein.“Erika Gischa sitzt ganz entspannt in der Sofaecke des großen hellen Raums, während sie von ihren Erfahrungen erzählt. Ein paar Schritte weiter plaudert eine größere Runde Senioren angeregt bei Kaffee und Kuchen. Gegen Abend wird sie der Fahrdienst, der sie auch abgeholt hat, dann wieder nach Hause bringen. Seit Februar dieses Jahres bietet die Vinzenz von Paul gGmbH im Leutkircher Seniorenzentrum Carl-Joseph Tagespflege an – „ein Angebot, das im Zuge der Ambulantisierung der Pflege immer wichtiger wird“, wie Pressereferentin Christina Pirker erläutert.
Im Mittelpunkt stehen dabei zwei Aspekte: Tagespflege soll nicht nur den Senioren eine abwechslungsreiche Alltagsgestaltung bieten, sondern zugleich auch die pflegenden Angehörigen unterstützen und entlasten. „Wir wollen ihnen“, sagt Christina Pirker, „kleine Ruhepausen im Pflegealltag ermöglichen.“Im Seniorenzentrum Carl-Joseph hat man deshalb die ehemalige Cafeteria umgestaltet und bietet bis zu 16 Gästen montags bis freitags ganztägig oder auch stundenweise Betreuung durch Fachkräfte an.
Für Erika Gischa ein Glücksfall. Hinter der 84-Jährigen nämlich liegt eine Zeit, in der es das Schicksal nicht immer gut mit ihr meinte. „Vor drei
ANZEIGEN Jahren ist mein Mann ganz plötzlich verstorben – das war ein schwerer Schlag.“Dann, nur ein Jahr später, erleidet sie selbst einen Schlaganfall und fällt „in ein tiefes Loch“, wie sie sagt. Sie, die immer Menschen um sich hatte, die 65 Jahre beim Deutschen Roten Kreuz aktiv war, die 27 Jahre lang mit einer Gruppe der Pflegenden Angehörigen gearbeitet hatte und jahrzehntelang im Besuchsdienst unterwegs war – sie muss all diese Ehrenämter aufgeben und fühlt sich plötzlich sehr allein.
„Einsamkeit kann krank machen“, das ist ihr wohl bewusst. Und so beginnt Erika Gischa gegen die Einsamkeit zu kämpfen, versucht, ihr Leben „wieder in den Griff zu kriegen“, wie sie sagt. Die Tagespflege ist ein wichtiger Schritt auf diesem Weg. Zwei Nachmittage pro Woche, immer dienstags und freitags, wird sie um 12.15 Uhr vom Fahrdienst abgeholt und im Seniorenzentrum CarlJoseph stets freudig begrüßt. „Mir hond scho’ auf Sie g’wartet“, heißt es dann, „das Mittagessen steht scho’ auf’m Tisch.“ Dass sie dort viele Bekannte trifft und nicht alleine essen muss, tut Erika Gischa gut. „Das ist wie heimkommen“, beschreibt sie ihre Gefühle.
Regelmäßiges Miteinander
Soziale Kontakte und regelmäßiges Miteinander sind wichtige Aspekte von Tagespflegeangeboten. So wird nicht nur zusammen gefrühstückt, zu Mittag gegessen oder Kaffee getrunken – auch „gemeinsames Singen und Musizieren, Basteln, Tuchspiele oder Gedächtnistraining“gehören in der Carl-Joseph-Tagespflege dazu, wie Pflegefachkraft Petra Butscher einige Beispiele nennt. Dass dabei Menschen mit ganz unterschiedlichen Erkrankungen und Einschränkungen zusammenkommen, fordert die Mitarbeiter besonders: „Die Gruppendynamik muss so gesteuert werden, dass sich alle wohlfühlen.“
Gäste wie Erika Gischa sind selbst um dieses Wohlfühlen der Gruppe bemüht. „Ich sehe es jetzt hier als meine Aufgabe an, Menschen aufzurichten und ihnen zu helfen.“Dabei denkt sie vor allem an an Demenz erkrankte Menschen. Zeit und Zuwendung seien entscheidend,
ANZEIGEN damit diese aus sich herausgehen und Ängste loslassen können. Dass gerade mit Blick auf eine immer größere Zahl dementiell erkrankter Senioren ein Ausbau der Tagespflegeangebote wichtig ist, darin stimmt Erika Gischa mit Pflegefachleuten absolut überein. Auch Krankenschwester Die solitäre Tagespflege ist ein Betreuungs- und Pflegeangebot in teilstationärer Form. Im Gegensatz zur integrierten Tagespflege für die Bewohner von Einrichtungen werden in der solitären Tagespflegeeinrichtung pflegebedürftige, alltagseingeschränkte oder behinderte Menschen gepflegt und betreut, die noch zuhause leben. Dies kann wahlweise an einem, mehreren oder allen Tagen der Woche geschehen. Die Tagespflege unterstützt den Grundgedanken der häuslichen Pflege und den der Entlastung pflegender Angehöriger. Sie schließt eine Lücke zwischen den ambulanten Diensten und stationären Pflegeeinrichtungen. Eine solitäre Tagespflege hat klare Öffnungszeiten, meist von Montag bis Freitag, zwischen 8 und 17 Uhr.
Petra Butscher bestätigt: „Die Nachfrage wird immer größer.“
Die Kosten für die Tagespflege übernimmt – zumindest teilweise – die Pflegekasse (siehe Hintergrundkasten). Die meisten Einrichtungen bieten außerdem Schnuppertage für Interessierte an: Einen oder