Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Erst Haft, dann Bewährung
25-Jähriger soll Freundin gewürgt und vergewaltigt haben – Landgericht mildert Urteil des Amtsgerichts Lindau
KEMPTEN/WESTALLGÄU - Die Berufung hat sich gelohnt: Das Landgericht Kempten hat einen 25-Jährigen aus dem Landkreis Lindau wegen Vergewaltigung und schwerer Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt. Entscheidend für den Angeklagten: Das Gericht setzte die Strafe zur Bewährung aus, er bleibt also in Freiheit.
Damit änderte die Kammer ein Urteil des Lindauer Amtsgerichts ab. Es hatte den Angeklagten im Frühjahr noch zu drei Jahren und fünf Monaten Haft verurteilt. Maßgeblich für das Landgericht war ein Geständnis des Angeklagten. „Der Fall hat sich in einem etwas helleren Licht dargestellt“, sagte der Vorsitzende Richter Claus Ammann.
Das Amtsgericht in Lindau hatte den Fall im April verhandelt. Grundlage des damaligen Urteils war die Aussage des Opfers. Die junge Frau war die Freundin des Angeklagten. Er hatte sie während einer sechs Monate dauernden Beziehung dreimal mit beiden Händen gewürgt und in einem Fall zusätzlich bei sich zu Hause in der Wohnung vergewaltigt. Bei der Verhandlung in Lindau hatte der Angeklagte zu den Vorwürfen geschwiegen, obwohl ihm der Anklagevertreter schon damals ein milderes Urteil im Falle eines Geständnisses in Aussicht gestellt hatte. Am Ende verurteilte das Schöffengericht den jungen Mann angesichts einer glaubwürdigen Aussage des Opfers zu der Haftstrafe von drei Jahren und fünf Monaten. Bei einer solchen Strafe ist Bewährung grundsätzlich ausgeschlossen. Ein Gericht kann sie nur bis zu einer Haftstrafe von maximal zwei Jahren gewähren.
Sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Verteidigung hatten gegen das Urteil des Amtsgerichts Berufung eingelegt. Die Staatsanwaltschaft nur gegen die Höhe – sie sah eine längere Haftstrafe als schuldangemessen an. Die Verteidigung dagegen strebte einen Freispruch an.
Angesichts dessen deutete sich ein langwieriger Prozess zur Wahrheitsfindung an. Für die Berufungsverhandlung hatte das Landgericht drei Tage angesetzt und eine Reihe Zeugen sowie Sachverständige geladen. Deren Aussagen waren freilich nicht nötig. In mehreren Gesprächsrunden verständigten sich alle Beteiligten – Anklage, Verteidigung und die Nebenklägerin, die das Opfer vertrat – auf einen Strafrahmen. Demnach stellte das Gericht dem Angeklagten für den Fall eines vollen Geständnisses eine Haftstrafe auf Bewährung in Aussicht, verbunden mit einem Schmerzensgeld an das Opfer. So kam es denn auch. „Ich gestehe die Tat, so wie sie in der Anklageschrift steht. Es tut mir leid“, sagte der 25-Jährige.
25-Jähriger zahlt dem Opfer 10 000 Euro Schmerzensgeld
Das Gericht ging in seinem Urteil von einem minderschweren Fall aus, auch, weil die Vergewaltigung eine Beziehungstat gewesen sei, wie Richter Ammann erklärte. Als strafmildernd wertete die Kammer aber vor allem das Geständnis des Angeklagten. Es ersparte dem Opfer eine neuerliche Zeugenaussage in öffentlicher Verhandlung. Die Vernehmung vor dem Amtsgericht hatte der jungen Frau stark zugesetzt. „Sie hätte wieder detailliert über das Geschehen sprechen müssen. Das Tatgeschehen wäre vielleicht noch einmal hochgekommen“, sagte der Vorsitzende Richter.
Verbunden ist die Bewährung mit mehreren Auflagen. So muss der 25Jährige dem Opfer 10 000 Euro Schmerzensgeld bezahlen. Das könnte sich die junge Frau zwar auch in einem Zivilprozess erstreiten. Hinter der Auflage steht allerdings ein erheblich größerer Druck: Bezahlt der Mann das Geld nicht, muss er ins Gefängnis. Die Bewährungszeit beträgt drei Jahre. Lässt sich der nicht einschlägig vorbestrafte junge Mann in der Zeit etwas zuschulden kommen, muss er ebenfalls die Haft antreten.