Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Rasante Ein-Frau-Theater-Show in der Stadtbüche­rei Bad Waldsee

Berliner Künstlerin Bridge Markland präsentier­te ihre Interpreta­tion „Faust in the Box“– Sie berührte die Herzen der Zuschauer

- Von Yvonne Giwitsch

BAD WALDSEE - Mindestens einmal im Leben begegnet man der klassische­n Literatur, sei es als ungeliebte Lektüre in der Schule oder freiwillig im Verlauf des späteren Lebens. Doch so wie Goethes „Faust“in der Stadtbüche­rei in Bad Waldsee zu erleben war, haben ihn sicherlich die wenigsten bis dato erlebt.

Mehr als 50 Besucher hatten voller Interesse und Neugier am Freitag in Foyer der Stadtbüche­rei Platz gefunden und freuten sich auf Bridge Markland und ihre Interpreta­tion „Faust in the Box“.

Die Berliner Künstlerin inszeniert­e „Faust“als komprimier­te Collage in 90 Minuten und präsentier­te mit wenigen Requisiten tragische Spannung. Etliche Szenen unterstric­h sie mit passenden Hits aus längst vergangene­n Tagen und aktuellen Songs aus verschiede­nsten Genres. Diese Mischung aus Pantomimik und Musik wurde mit aufgenomme­nen Textpassag­en von einigen Sprechern mit Inhalt gefüllt. Und so ergab sich eine außergewöh­nliche Veranstalt­ung mit hochkaräti­ger Darstellun­g.

Markland schlüpfte in verschiede­ne Rollen, mal brillierte sie als Faust, mal als Mephisto oder Gretchen. Zusätzlich­e Figuren in ihrer rasanten Show spielte sie mit Handpuppen, Barbies oder anderen Spielzeugf­iguren. Ihr gelang es, zu ihrer Performanc­e passende Songs einzuspiel­en und so einen Bezug zwischen der Zeit, in der die Tragödie spielt, und heute zu schaffen. Als Faust Gretchen zum ersten Mal erblickt, ist Roy Orbison mit „Pretty Woman“zu hören. Was durch die Komprimier­ung an Text wegfiel, wurde durch Musik ersetzt. ACDC, Die Ärzte, David Bowie, Depeche Mode und Rammstein lieferten die passenden Passagen ebenso wie Freddy Quinn, Marika Rökk, Metallica oder Elvis Presley und viele andere Stars aus den vergangene­n Jahrzehnte­n.

Die Songs brachten die bildreiche Sprache der Tragödie auf den Punkt, wie zum Beispiel der Wunsch nach „Sexualverk­ehr“von Christian Steiffen oder die musikalisc­he Warnung der Ärzte „Männer sind Schweine – traue ihnen nicht“.

Und so zauberte die Ausnahmekü­nstlerin Bridge Markland eine erfrischen­de Version einer klassische­n Tragödie aus ihrer Box, die junge und junggeblie­bene Menschen gleicherma­ßen begeistert­e. Stets im direkten Kontakt zum Publikum nahm sie die Menschen mit auf ihrer Reise durch Raum, Zeit und genderfrei­e Emotionen. Ausdruckss­tarker Tanz, Puppenspie­l und pantomimis­ches Theater zogen die Zuschauer in ihren Bann.

Bridge Markland kreiert seit den 90er-Jahren Collagen aus klassische­r Literatur mit populärer Musik, überschrei­tet mit „classic in the box“Grenzen und setzt Zeichen, denn der Stoff, aus dem die klassische­n Theaterstü­cke sind, ist das Leben selbst – damals wie heute.

Brauchte es früher zwei Jahre zwischen Idee und Premiere, braucht es heute nur rund neun Monate, bis eine neue Collage erstellt ist.

Dass Bridge Markland mit ihren Ein-Frau-Theater-Stücken die Herzen der Menschen berührt und erobert, war auch in der Stadtbüche­rei Bad Waldsee erlebbar. Zwischen Zauber und Applaus lagen ein spontanes Lachen, ein bewundernd­er Blick und manch Schmunzeln darüber, wie direkt und ausdruckss­tark Songteile gemalte lyrische Textpassag­en ganz einfach auflösen können.

 ?? FOTO: YMO ?? Faust entdeckt dank Bridge Markland das schöne Geschlecht.
FOTO: YMO Faust entdeckt dank Bridge Markland das schöne Geschlecht.

Newspapers in German

Newspapers from Germany