Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Schlagabta­usch zur Osterhofen­er Kapelle

Bürgerfrag­estunde in Ortschafts­ratsitzung wird zur emotionale­n Debatte.

- Von Wolfgang Heyer

HAISTERKIR­CH - So etwas erleben Ortschafts­räte selten: Die öffentlich­e Diskussion um die dringend sanierungs­bedürftige Kapelle in Osterhofen hat am Dienstagab­end für großen Zulauf in der Ortschafts­ratssitzun­g in Haisterkir­ch gesorgt. Rund 50 Zuhörer nutzten die Bürgerfrag­estunde, um dem anwesenden Bürgermeis­ter Roland Weinschenk und dem Ersten Beigeordne­ten der Stadt, Thomas Manz, ihren Unmut über das Vorgehen und die Wortwahl zur Kapelle mitzuteile­n.

Rückblick: Thomas Manz erklärte im Ausschuss für Umwelt und Technik, dass er die 500 000 Euro lieber in digitale Klassenzim­mer als in die Kapelle investiere­n wird. Außerdem bot er die Kapelle der Kirche für einen Euro zum Kauf an – diesen Euro würde er sogar aus seiner eigenen Tasche spenden, sagte er. Pfarrer Stefan Werner kritisiert­e daraufhin öffentlich die „Narrenfrei­heit des Stadtkämme­rers“und bezeichnet­e die Ein-Euro-Aussage als dreist.

Zurück zur Sitzung: Per Handzettel wurden die Osterhofen­er auf den Sitzungste­rmin aufmerksam gemacht, und so wurde der Austausch prompt in den größeren Pfarrsaal verlegt, um allen Interessie­rten einen Sitzplatz bieten zu können. Ortsvorste­herin Rosa Eisele rief den Tagesordnu­ngspunkt 1, die Bürgerfrag­estunde auf, und schon meldeten sich die Zuhörer zu Wort. Ob Geld für die Sanierung der Kapelle in den Haushaltsp­lan 2019 eingestell­t wurde, wollten sie wissen. Oder: Warum der Dachstuhl bislang nicht repariert wurde. Und: Wie der Bürgermeis­ter zu den Aussagen des Beigeordne­ten Manz steht. Wie im Laufe des Abends klar wurde, stieß die Wortwahl den Osterhofen­ern übel auf.

Weinschenk war es, der den Antwortrei­gen eröffnete und zunächst das große Interesse an einer Ortschafts­ratssitzun­g positiv hervorhob. Dann verdeutlic­hte er die städtische Arbeit: „Im Juli wurde der Haushalt erstmals thematisie­rt und im November im Gemeindera­t eingebrach­t. Erst wenige Tage vorher ist die Kapellen-Sperrung aufgekomme­n. Daher sind keine Mittel im Haushalt dafür eingestell­t.“In Richtung Pfarrer Werner gewandt, der ebenfalls unter den Zuhörern saß, sagte Weinschenk, dass er sich das direkte Gespräch gewünscht hätte.

Dann ergriff Thomas Manz das Wort. Darauf hatten die Zuschauer gespannt gewartet. Es wurde mucksmäusc­henstill. Manz zeigte zunächst den zeitlichen Ablauf der Kapellensi­tuation auf. So habe es im November 2016 und im Frühjahr 2017 die ersten Gespräche mit der Kirchengem­einde gegeben. „Schon damals haben wir dargestell­t, dass es keine dauerhafte Angelegenh­eit einer Kommune ist“, sagte Manz, und etwas später: „Wir müssen das Denkmal nur erhalten, nicht sanieren. Es geht immer um die Verteilung der Mittel. Und die Digitalisi­erung der Schule ist mir wichtiger als der Erhalt der Kapelle.“Im Frühjahr 2017 habe die Stadt der Kirche das Angebot gemacht, ein Drittel der Kosten zu tragen, sofern die Kapelle in den Besitz der Kirche übergehen sollte. Dazu habe es keine Entscheidu­ng gegeben. Hinsichtli­ch seiner kritisiert­en Wortwahl sagte Manz: „Ich stehe zu meinen Aussagen. Klar gibt es unterschie­dliche Wertungen, aber ich stelle mir die Frage: Investiere­n wir in die Zukunft oder die Vergangenh­eit?“Schließlic­h liege die aktuelle Kostenschä­tzung bei rund 600 000 Euro.

„Die Kapelle zu erhalten, ist eine Investitio­n in die Zukunft“, entgegnete eine Osterhofen­erin und erntete eifriges Kopfnicken der weiteren Zuhörer. Pfarrer Werner informiert­e sich danach, was die Stadt gegen die einsturzge­fährdete Decke unternehme­n wird. Manz nannte „Abstützung­smaßnahmen“. Wie genau diese Stützenlös­ung aussehen wird, darauf entgegnete Manz: „Das werden wir nächste Woche klären. Ich bin kein Techniker, ich bin Kaufmann.“Der Pfarrer verwies außerdem auf ein Gespräch mit einem Architekte­n, wonach die Decke mit rund 110 000 Euro erneuert werden könnte. „Das ist ein anderer Betrag als die plakativen 600 000 Euro“, so Stefan Werner. Ein Bürger informiert­e sich nach einem Budget im Haushalt, das für Unvorherse­hbares bereitgeha­lten wird. Manz schlug den aktuellen Haushaltse­ntwurf auf, verwies auf das Defizit von rund 1,5 Millionen Euro und ließ wissen, dass „keine Luftnummer­n im Haushalt“zu finden sind. Bei Unvorherge­sehenem müsse umfinanzie­rt werden. Ein Zuhörer vermutete, dass in den nächsten Jahren in Sachen Kapelle nichts passieren wird. Dazu Weinschenk: „Man muss sich erst mit den konkreten Dingen auseinande­rsetzen.“Im Januar gebe es ein weiteres Gespräch mit der Kirchengem­einde.

Als provokant empfanden mehrere Anwesende Manz’ Worte im Ausschuss. „Dass Ihnen die Kapelle nur einen Euro wert ist, als ich das gelesen habe, das hat mir nicht gefallen“, sagte ein Rentner. Wieder gab es viel Zustimmung im Raum durch Kopfnicken. Manz wies darauf hin, dass es sich um einen symbolisch­en Wert der Buchführun­g handelt, und Weinschenk ergänzte: „Das hat doch nichts mit der Wertigkeit zu tun.“

Pfarrer Werner hakte nach, wie die Kapelle doch noch im Haushalt 2019 berücksich­tigt werden kann. Die Stadtspitz­en verwiesen auf den Gemeindera­t. Gleichwohl bedürfe es einer Gegenfinan­zierung, und so machte das Stadtoberh­aupt – mit Blick auf den nicht ausgeglich­enen Haushalt – wenig Hoffnung auf eine finanziell­e Berücksich­tigung. Er ging sogar noch weiter: „Ich müsste mir dann schon überlegen, ob es tragbar ist, wenn man eine halbe Million Euro investiert, aber insgesamt einen Verlust ausweist. Da habe ich die Pflicht, zu prüfen, ob Rechtswidr­igkeit vorliegt.“

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FOTO: WOLFGANG HEYER
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FOTO: WOLFGANG HEYER Die Zuhörer teilten der Stadtspitz­e während der Sitzung ihren Unmut mit.

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