Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Schlagabtausch zur Osterhofener Kapelle
Bürgerfragestunde in Ortschaftsratsitzung wird zur emotionalen Debatte.
HAISTERKIRCH - So etwas erleben Ortschaftsräte selten: Die öffentliche Diskussion um die dringend sanierungsbedürftige Kapelle in Osterhofen hat am Dienstagabend für großen Zulauf in der Ortschaftsratssitzung in Haisterkirch gesorgt. Rund 50 Zuhörer nutzten die Bürgerfragestunde, um dem anwesenden Bürgermeister Roland Weinschenk und dem Ersten Beigeordneten der Stadt, Thomas Manz, ihren Unmut über das Vorgehen und die Wortwahl zur Kapelle mitzuteilen.
Rückblick: Thomas Manz erklärte im Ausschuss für Umwelt und Technik, dass er die 500 000 Euro lieber in digitale Klassenzimmer als in die Kapelle investieren wird. Außerdem bot er die Kapelle der Kirche für einen Euro zum Kauf an – diesen Euro würde er sogar aus seiner eigenen Tasche spenden, sagte er. Pfarrer Stefan Werner kritisierte daraufhin öffentlich die „Narrenfreiheit des Stadtkämmerers“und bezeichnete die Ein-Euro-Aussage als dreist.
Zurück zur Sitzung: Per Handzettel wurden die Osterhofener auf den Sitzungstermin aufmerksam gemacht, und so wurde der Austausch prompt in den größeren Pfarrsaal verlegt, um allen Interessierten einen Sitzplatz bieten zu können. Ortsvorsteherin Rosa Eisele rief den Tagesordnungspunkt 1, die Bürgerfragestunde auf, und schon meldeten sich die Zuhörer zu Wort. Ob Geld für die Sanierung der Kapelle in den Haushaltsplan 2019 eingestellt wurde, wollten sie wissen. Oder: Warum der Dachstuhl bislang nicht repariert wurde. Und: Wie der Bürgermeister zu den Aussagen des Beigeordneten Manz steht. Wie im Laufe des Abends klar wurde, stieß die Wortwahl den Osterhofenern übel auf.
Weinschenk war es, der den Antwortreigen eröffnete und zunächst das große Interesse an einer Ortschaftsratssitzung positiv hervorhob. Dann verdeutlichte er die städtische Arbeit: „Im Juli wurde der Haushalt erstmals thematisiert und im November im Gemeinderat eingebracht. Erst wenige Tage vorher ist die Kapellen-Sperrung aufgekommen. Daher sind keine Mittel im Haushalt dafür eingestellt.“In Richtung Pfarrer Werner gewandt, der ebenfalls unter den Zuhörern saß, sagte Weinschenk, dass er sich das direkte Gespräch gewünscht hätte.
Dann ergriff Thomas Manz das Wort. Darauf hatten die Zuschauer gespannt gewartet. Es wurde mucksmäuschenstill. Manz zeigte zunächst den zeitlichen Ablauf der Kapellensituation auf. So habe es im November 2016 und im Frühjahr 2017 die ersten Gespräche mit der Kirchengemeinde gegeben. „Schon damals haben wir dargestellt, dass es keine dauerhafte Angelegenheit einer Kommune ist“, sagte Manz, und etwas später: „Wir müssen das Denkmal nur erhalten, nicht sanieren. Es geht immer um die Verteilung der Mittel. Und die Digitalisierung der Schule ist mir wichtiger als der Erhalt der Kapelle.“Im Frühjahr 2017 habe die Stadt der Kirche das Angebot gemacht, ein Drittel der Kosten zu tragen, sofern die Kapelle in den Besitz der Kirche übergehen sollte. Dazu habe es keine Entscheidung gegeben. Hinsichtlich seiner kritisierten Wortwahl sagte Manz: „Ich stehe zu meinen Aussagen. Klar gibt es unterschiedliche Wertungen, aber ich stelle mir die Frage: Investieren wir in die Zukunft oder die Vergangenheit?“Schließlich liege die aktuelle Kostenschätzung bei rund 600 000 Euro.
„Die Kapelle zu erhalten, ist eine Investition in die Zukunft“, entgegnete eine Osterhofenerin und erntete eifriges Kopfnicken der weiteren Zuhörer. Pfarrer Werner informierte sich danach, was die Stadt gegen die einsturzgefährdete Decke unternehmen wird. Manz nannte „Abstützungsmaßnahmen“. Wie genau diese Stützenlösung aussehen wird, darauf entgegnete Manz: „Das werden wir nächste Woche klären. Ich bin kein Techniker, ich bin Kaufmann.“Der Pfarrer verwies außerdem auf ein Gespräch mit einem Architekten, wonach die Decke mit rund 110 000 Euro erneuert werden könnte. „Das ist ein anderer Betrag als die plakativen 600 000 Euro“, so Stefan Werner. Ein Bürger informierte sich nach einem Budget im Haushalt, das für Unvorhersehbares bereitgehalten wird. Manz schlug den aktuellen Haushaltsentwurf auf, verwies auf das Defizit von rund 1,5 Millionen Euro und ließ wissen, dass „keine Luftnummern im Haushalt“zu finden sind. Bei Unvorhergesehenem müsse umfinanziert werden. Ein Zuhörer vermutete, dass in den nächsten Jahren in Sachen Kapelle nichts passieren wird. Dazu Weinschenk: „Man muss sich erst mit den konkreten Dingen auseinandersetzen.“Im Januar gebe es ein weiteres Gespräch mit der Kirchengemeinde.
Als provokant empfanden mehrere Anwesende Manz’ Worte im Ausschuss. „Dass Ihnen die Kapelle nur einen Euro wert ist, als ich das gelesen habe, das hat mir nicht gefallen“, sagte ein Rentner. Wieder gab es viel Zustimmung im Raum durch Kopfnicken. Manz wies darauf hin, dass es sich um einen symbolischen Wert der Buchführung handelt, und Weinschenk ergänzte: „Das hat doch nichts mit der Wertigkeit zu tun.“
Pfarrer Werner hakte nach, wie die Kapelle doch noch im Haushalt 2019 berücksichtigt werden kann. Die Stadtspitzen verwiesen auf den Gemeinderat. Gleichwohl bedürfe es einer Gegenfinanzierung, und so machte das Stadtoberhaupt – mit Blick auf den nicht ausgeglichenen Haushalt – wenig Hoffnung auf eine finanzielle Berücksichtigung. Er ging sogar noch weiter: „Ich müsste mir dann schon überlegen, ob es tragbar ist, wenn man eine halbe Million Euro investiert, aber insgesamt einen Verlust ausweist. Da habe ich die Pflicht, zu prüfen, ob Rechtswidrigkeit vorliegt.“