Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Harte Fronten bei der Vermittlung um den Digitalpakt
SPD-Politiker Carsten Schneider spricht von Reaktionären: „Die sechs Stimmen von Baden-Württemberg brauchen wir nicht“
BERLIN - Schweres Geschütz gegen Baden-Württembergs Regierung fährt Carsten Schneider, der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion und Verhandlungsführer im Vermittlungsausschuss auf. Am Freitag will der Bundesrat den Ausschuss anrufen, um den Fünf-Milliarden-Digitalpakt für die Länder zu verhandeln. Die Länder fühlen sich vom Bund überfahren, weil der Bund eine schwierige Grundgesetzänderung vorgeschlagen hat. Die Länder sollen demnach 50 Prozent mitfinanzieren.
Doch nicht nur die Finanzierung, auch der Eingriff in die Hoheit der Länder treibt Baden-Württembergs Regierungschef Winfried Kretschmann (Grüne) um. Carsten Schneider spricht von den „Reaktionären aus Baden-Württemberg, die die Kultusautonomie in Gefahr sehen und von Einheitsschule faseln“. Doch darum gehe es nicht. „Wir haben als Bund nicht vor, uns einzumischen“, das sei kein Angriff auf die Eigenständigkeit der Länder, sondern man wolle nur sicherstellen, dass auch die Länder Mittel für den Digitalpakt bereitstellen.
Die Länder zeigten sich überrascht von dem neuen Finanzierungsvorschlag; Schneider schimpft, die geplante Finanzierung sei spätestens seit September klar gewesen. „Warum halte ich 16 Landesvertretungen, wenn ich das nicht mitkriege?“
Länder früher einbinden
Hinter den Kulissen allerdings bemängeln selbst gestandene CDU-Politiker die Unfähigkeit von Bildungsministerin Anja Karliczek und Kanzleramtsminister Helge Braun (beide CDU), die Länder frühzeitig einzubinden.
Volker Ratzmann, der Beauftragte Baden-Württembergs in Berlin, meint, der Südwesten stehe nicht alleine mit der Meinung, dass es nicht nur um die Finanzierung geht. Es sei eine große Frage, ob der Bund meint, er könne es besser als die Länder.
Für Schneider hingegen ist die „fundamentale Opposition“aus Baden-Württemberg „letztes Jahrhundert“. Hoffnungen auf eine Einigung mit dem Südwesten, wo sowohl der grüne Ministerpräsident als auch die CDU-Kultusministerin Susanne Eisenmann gegen das vorliegende Gesetz sind, hat Schneider wohl nicht. Er setzt auf das Ja von Hessen, wo ebenfalls die Grünen mitregieren. Nötig sei eine Zweidrittelmehrheit im Bundesrat. „Die sechs Stimmen Baden-Württembergs brauchen wir nicht,“so Schneider.
Volker Ratzmann schlägt vor, die Sachen zu entkoppeln. Den Digitalpakt, auf den viele Schulen warten, könne man auch ohne Grundgesetzänderung in Kraft setzen. Wie beim Gute-Kita-Gesetz auch, sei eine Finanzierung über die Umsatzsteuer denkbar. Es sei besser, die Sachen zu entkoppeln und in Ruhe über eine Neuordnung zu reden.
Schneider geht davon aus, dass die SPD-Position auch Rückhalt in der Bevölkerung hat. „Eine stärkere Kompetenz des Bundes bei der Bildung wird von breiten Teilen der Bevölkerung gewünscht.“
Bisher allerdings teilen alle Länder, auch die SPD-regierten, die Bedenken Baden-Württembergs. Wenn Finanzhilfen des Bundes immer davon abhängig seien, dass die Länder in derselben Höhe Mittel bereitstellen, dann wären in Zukunft Leistungen zur Fluthilfe oder Konjunkturprogramme in Wirtschaftskrisen kaum möglich, weil die Länder überfordert wären, warnt Stephan Weil, der niedersächsische SPD-Ministerpräsident. „Es besteht keine Veranlassung, solche Themen mit dem Digitalpakt zu verknüpfen.“