Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
„EMS ist hinter seinem Werk verschwunden“
Mit einer Bücherreihe will die Witwe von Eberhard Martin Schmidt das Werk ihres Mannes lebendig halten
Weingarten - Plätzlerbrunnen, Welfensag’ oder Mahnmal auf dem Kreuzberg: Der 1995 verstorbene Künstler Eberhard Martin Schmidt hat sich in Weingarten verewigt. EMS, wie er auch genannt wurde, war nicht nur Bildhauer, sondern Maler, Keramiker, Holzdrucker und Literat. Entsprechend facettenreich sein kreatives Schaffen. Mit einer Bücherreihe leuchtet seine Witwe, Eva Schmidt, nun seine vielfältige Arbeit aus. Die ersten beiden Bände sind fertig. Am vergangenen Donnerstag las die ehemalige Professorin an der Pädagogischen Hochschule im Schlössle aus „Omnis“und „Indien – Ein Kaleidoskop“.
Eigentlich wollte sie in ihrem Ruhestand auf Weltreise gehen. Andere Länder kennenlernen, so wie sie das mit ihrem Mann Anfang der Sechzigerjahre in Indien gemacht hatte. Doch ist Eva Schmid noch nicht dazu gekommen. Der Nachlass ihres Mannes hält die 85-Jährige weiter auf Trab. Neben den Skulpturen sind das über 2000 Werke, Bilder, Zeichnungen, Aquarelle, aber auch Literatur. Essays über Gott und die Welt. Texte, die Einblicke in das künstlerische Schaffen von EMS gewähren. Eva Schmidt charakterisiert ihren Mann als Menschen, der die Öffentlichkeit scheute und lieber zurückgezogen für seine Kunst lebte. „Er verschwand hinter seinem Werk“, sagt seine Witwe. Diese lebendig zu halten hat sie sich zur Lebensaufgabe gemacht, auch angeregt durch Freunde. Weil die eher auf Bücher als auf Ausstellungen setzen, bei denen die Aufmerksamkeitsspanne doch begrenzt sei.
Im Übrigen sei nur in der Gesamtschau von Bild und Wort das Werk von EMS zu verstehen. Wie in „Omnis“, einer bebilderten Autobiografie, einem Entwicklungsroman, der die Reifung des Künstlers nachzeichnet. Dabei treten der junge EMS und die Kunstfigur „Omnis“, ein Wissender und Alter Ego, in Dialog. In 24 Kapiteln werden Überlegungen zu vielfältigen Themen von rein praktischen Material- und Technikfragen bis zu philosophischen und visionären Vorstellungen aufgefächert und dabei verschmelzen der Jungspund EMS und der weise „Omnis“mehr und mehr bis sie eins geworden sind. Im zweiten Kapitel geht es beispielsweise um Dreidimensionalität, wie aus Stein plastische Figuren entstehen. EMS habe, so Eva Schmidt, die jeweilige Figur, wie den Plätzler, im rohen Klotz immer schon als Ganzes vor sich gesehen. In der stetigen Umrundung des Steins habe er alles, was störte, weggehauen, so lange, bis nichts mehr störte und das Werk vollendet war. Dabei hätte er eine Hand bis in kleinste Details ausarbeiten können, während der Rest der Figur noch im Stein schlummerte. Allerlei Besucher in der Werkstatt am Bläsiberg, wie die Kätter, kommen im Buch zu Wort. Sie fragt den Meister, wie denn die Sterne am Himmel aufgehängt seien, und mokiert sich über Wissenslücken. Um Kulturverständigung geht es in der Auseinandersetzung einer Stalin-Skulptur mit einem chinesischen Priesterfürsten. Wobei EMS seinen Stalin später zertrümmert habe. Die gewalttätige Energie, die von der Figur ausgegangen sei, hätte ihr Mann nicht mehr ertragen. Schließlich EMS und Omnis auf Romreise, wo sich zwischen Straßengesprächen und Philosophieren über das Pantheon dann die Wege trennen.
Im zweiten Teil der Lesung geht es um Indien, das Land, das das Ehepaar Schmidt 1963 für ein Jahr bereiste. Dort faszinierten EMS künstlerisch besonders die Skulpturen. Die Eindrücke sind im Buch „Indien – Ein Kaleidoskop“festgehalten. Die Erweiterung des Erfahrungshorizontes auf dem Subkontinent habe sich weniger von der Technik als stilistisch auf seine Kunst ausgewirkt. Neue Motive kamen in der Malerei hinzu wie Tänzerinnen, Bettler, Tempel. Auch Plastiken wie die „Wasserträgerin“zeugen von diesem Einfluss. Und das Bild von „Balthasar“, dem Heiligen Dreikönig. Marieluise Kliegel, Eva Schmidts Nachfolgerin an der PH, rezitierte dazu einen Text von EMS: eine so poetisch wie fantasievolle Kostprobe des schwer zu fassenden, vielseitigen Künstlers.