Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Elf Gesunde müsst ihr sein
Der VfB Stuttgart leidet an seinem Lazarett, Gegner Berlin geht es ähnlich
STUTTGART - Der Münchner Mats Hummels wurde kürzlich nach dem 2:3 im Dortmund arg dafür gescholten, dass er es gewagt hatte, halb krank und vergrippt Fußballspielen zu wollen. Beim abstiegsgefährdeten VfB Stuttgart dagegen wären sie heilfroh, jeder Halblädierte würde sich heute um 15.30 Uhr (Sky) zum Spiel gegen Hertha BSC bereitstellen. Alles, was nicht spätestens bei drei auf der Krankenstation ist, soll in die Startelf – so ähnlich klangen die Ausführungen von Markus Weinzierl am Donnerstag.
Der Trainer ist nach wie vor nicht zu beneiden. Anfangs plagte ihn das schwere Auftaktprogramm, inzwischen das clubeigene Lazarett. Gleich sechs Spieler fallen definitiv aus: Benjamin Pavard, Holger Badstuber, Dennis Aogo, Berkay Özcan und Pablo Maffeo und der gesperrte Erik Thommy. Die gute Nachricht: Drei Angeschlagene überlegen sich zu spielen, die Außenverteidiger Andreas Beck und Borna Sosa und überraschenderweise auch Daniel Didavi. „Mir geht’s gut, bis Samstag dürfte es reichen“, sagte der Spielmacher, der seit Monaten an Achillessehnenproblemen litt.
Für Weinzierl wäre das Trio natürlich Gold wert. „Gefühlt spiele ich in den letzten Wochen nur Risiko“, sagte der 44-Jährige, Didavi sei keinesfalls schmerzfrei, sondern „ein Wackelkandidat mit der Hoffnung, dass er uns helfen kann“. Der Trainer fügte an: „Ich kann die Situation nicht ändern und werde nicht rumjammern.“Nach dem 0:3 in Gladbach allerdings hatte er genauso geklungen, als er latent den zu dünnen 24-Mann-Kader des VfB beanstandete: „In der Bundesliga werden viele Spiele über Einwechslungen entschieden. Wenn der Gegner Schwung und offensive Qualität bringt, man selbst aber nicht defensive dagegenhalten kann, dann ist das entscheidend. Da sind wir aktuell zu dünn aufgestellt.“Was sich schon beim 0:2 in Leverkusen gezeigt habe.
„Dann spielen halt eben die Jungen“, kündigte Weinzierl trotzig an, damit meinte er auch die beiden 17jährigen Antonis Aidonis (Abwehr) und Leon Dajaku (Angriff). Allerdings: Elf gesunde Erwachsene dürfte der VfB auch heute auf die Beine bekommen. Die mögliche Startelf namens „Zieler - Insua, Kempf, Baumgartl, Beck - Ascacibar, Gentner, Castro, Didavi - Donis, Gomez“hätte bei etwas Selbstvertrauen durchaus die Chance, Siege zu landen.
Kritik an Manager Michael Reschke, der das VfB-Aufgebot im Sommer bewusst auf weniger als zwei Dutzend Profis begrenzte, wollte Weinzierl jedoch nicht äußern. Habe man einen kleinen Kader, sei das bei einem solchen Verletzungspech schwierig. Habe man jedoch ein großes Aufgebot und alle seien fit, könnte bei Reservisten auch Frustration einsetzen. Beim VfB sei es nun aber „problematisch, wenn zehn Spieler ausfallen“.
Istanbuls Rodrigues im Fokus
Immerhin: Auf dem Transfermarkt kündigt sich trotz der Aussage von VfB-Chef Wolfgang Dietrich, Weinziel möge doch bitte die vorhandenen Spieler besser machen – bald Zuwachs an, und zwar auf den schwachen Stuttgarter Flügeln. Das Interesse am Gladbacher Rechtsaußen Patrick Herrmann verdichtet sich, zudem ist Linksaußen Garry Rodrigues (28) von Galatasaray Istanbul im Visier, ein kapverdischer Nationalspieler, der am Dienstag in der Champions League gegen Porto zwei Treffer beim 2:3 der Türken auflegte. Das Problem: Rodrigues hat noch bis 2021 Vertrag, er dürfte zehn Millionen Euro plus kosten.
Weinzierl setzt bis Weihnachten auf die Mentalität seines Teams: „Ich weiß, dass die Mannschaft den Ernst der Lage erkannt hat“, sagt er, man könne nun in acht Tagen gegen Berlin, in Wolfsburg und gegen Schalke die Vorrunde korrigieren: „Wenn wir das positiv durchstehen, kann sich auch ein Schwung entwickeln.“
Immerhin: Berlin hat ähnliche Sorgen. Schlüsselspieler Marko Grujic, ohne den die Hertha nur eine von sieben Partien gewann, fällt mit einer Sprunggelenkverletzung ebenso aus wie Arne Maier (Infekt), sein Nebenmann im zentralen Mittelfeld. Salomon Kalou und Javairo Dilrosun fehlen ebenfalls, zudem sind in Karim Rekik und Niklas Stark seit Wochen die Stamminnenverteidiger verletzt. „So weit weg von einer Startelf war ich selten“, sagt Trainer Pal Dardai, hat gegenüber Weinzierl aber einen Vorteil. Dank der chronischen, fast schon beängstigenden Berliner Effizienz steht die Hertha als Sechster mal wieder an der Schwelle zur Champions League.