Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Die Gewaltbereiten vom linken Rand
Mehr als 30 000 Linksextremisten in Deutschland – Behörden konstatieren Verharmlosung
BERLIN - Viel ist seit den NSU-Morden vom Rechtsextremismus die Rede. Der Bundesverfassungsschutz ist unter seinem neuen Chef Thomas Haldenwang dabei, seine einschlägige Abteilung personell aufzustocken. Aber wie sieht es auf der anderen Seite des politischen Spektrums aus? Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Wie gefährlich ist die linksextreme Szene eigentlich?
Im Sommer 2017 erlebten die Hamburger eine randalierende Menge vermummter Gestalten, die an verschiedenen Stellen der Stadt Autos anzündeten, Scheiben einschlugen und Geschäfte plünderten. Solche Bilder des gefürchteten „Schwarzen Blocks“kennt auch von früheren 1.Mai-Demonstrationen in Berlin. Die deutschlandweit rund 7000 Autonomen sind aber nur ein Teil der langsam wachsenden Szene, die nach der letzten Schätzung des Bundesverfassungsschutzes 30 400 Mitglieder zählt, 9000 von ihnen gelten als gewaltbereit. Sie werden vom Inlandsgeheimdienst beobachtet, weil sie „das Ziel verfolgen, unsere Staatsund Gesellschaftsordnung und damit die freiheitliche Demokratie abzuschaffen“.
Wird linksextreme Gewalt weniger ernst genommen als rechte?
Ja, sagt der Chemnitzer Extremismusforscher Eckhard Jesse. Linke Gewalt werde mit Rücksicht auf die historische Schuld des Nationalsozialismus verdrängt. Dabei gebe es erkennbare antidemokratische Bestrebungen im linken Milieu.
Auch bei den Sicherheitsbehörden beobachtet man eine „Tendenz der Verharmlosung“gegenüber Linksextremen. „Der Kampf gegen rechts wird in der Öffentlichkeit eher als legitim empfunden“, heißt es dort. Das untermauert eine Studie der Freien Universität Berlin von 2015. Demnach verfügt ein Sechstel der Deutschen über ein linksextremes Weltbild. Jeder fünfte der Befragten plädierte für eine Revolution, fast die Hälfte der Deutschen lehnte in der Umfrage das staatliche Gewaltmonopol ab. Linke verstünden es, „ihre Gewalttaten oft gut zu vermarkten“, sagte Studienautor Klaus Schroeder damals als Erklärung für die Popularität linker Thesen.
Wie viele Straftaten gehen auf das Konto von Linksextremen?
Im Jahr 2017 – aktuellere Zahlen gibt es bislang nicht – zählte das Bundeskriminalamt 9752 politisch links motivierte Straftaten, davon 1648 gewaltsame. Zum Vergleich: Rechte wurden mehr als doppelt so häufig straffällig: 20 520 Mal; dabei kam es 1054 Mal zu Gewalt. Unterschiede gibt es bei den Deliktformen, etwa bei der Gewaltkriminalität. So war bei Linksextremen etwa jede dritte Gewalttat eine Körperverletzung, bei Rechtsextremen mehr als 85 Prozent. Linke fallen eher durch Landfriedensbruch oder Brandstiftung auf.
Gegen wen richtet sich linke Gewalt?
Linksextremisten werden bisweilen mit dem Argument verteidigt, ihre Gewalt richte nur gegen Sachen. Das ist allerdings nicht die ganze Wahrheit, denn Anschläge auf Bahnstrecken oder Polizeistationen bringen auch Menschen in Gefahr. Rund zwei Drittel linksextremer Gewalttaten verschiedener Art richteten sich im Jahr 2017 gegen die Polizei und andere Sicherheitsbehörden. Darüber hinaus gab es 264 Übergriffe gegen Rechtsextremisten.
Welche Strategie verfolgen Linksextremisten?
Beim Verfassungsschutz sieht man bei Linksextremen die Tendenz, Einzelaktionen größeren Ausmaßes zu planen, versehen mit Bekennerschreiben. „Es werden zum Beispiel Brandanschläge auf Polizeiautos begangen, um auf diese Weise gegen Vertreter des Staates zu protestieren.“Auch großangelegte Protestaktionen wie die Besetzung des Hambacher Forstes würden durch Linksextreme unterstützt. Durch soziale Netzwerke seien die Mitglieder der Szene bestens miteinander vernetzt. „Die extremistische Linke geht planvoll vor“, sagt der Verfassungsschützer. Es habe schon immer gezielte Kampagnen gegeben, etwa die Besetzung von Bahngleisen gegen Atomtransporte oder die Aktionen gegen die neue Zentrale der Europäischen Zentralbank in Frankfurt.
Ist die Zahl der Attacken von Linksextremen gegen politische Gegner durch den Aufstieg der AfD angestiegen?
Dem Bundesverfassungsschutz zufolge gab es mehrere großangelegte Aktionen von linker Seite gegen die AfD, etwa die sogenannte Nika-Mitmachkampagne. Nika steht für „Nationalismus ist keine Alternative“. Aktionen wie diese werden in Sicherheitskreisen als Zündstoff der Linken angesehen, um Auseinandersetzungen mit dem politischen Gegner gewaltsam zu führen. Dem Innenministerium in Dresden zufolge wurden allein in Sachsen seit dem Jahr 2014 insgesamt 143 Anschläge auf Parteibüros der AfD verübt. Das sind etwa so viele wie gegen alle anderen Parteien zusammen.