Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Behörden machen Druck auf Obstbauern

Landratsäm­ter in Ravensburg und Friedrichs­hafen pochen auf mehr Abstand zu Gewässern

- Von Kara Ballarin

STUTTGART - Der Druck auf Obstbauern wächst – besonders in den Kreisen Ravensburg und Bodensee. Zwischen dem ersten Baum einer Plantage und dem Ufer eines Bachs oder Sees sollen künftig zehn Meter Abstand liegen. Die Landratsäm­ter wollen härter durchgreif­en, um Gewässer besser vor Pestiziden zu schützen. Dabei bedienen sie sich eines umstritten­en Kniffs.

Seit Anfang des Jahres sind die Flächen an Ufern in Baden-Württember­g besonders geschützt. Landwirte müssen bei der Feldarbeit fünf Meter Abstand halten – so regelt es das nun in Kraft getretene Wassergese­tz des Landes (siehe Kasten). Für Obstbauern kommt es noch härter. Die Behörden wollen einen doppelt so großen Puffer zwischen Gewässern und Obstplanta­gen, wie sie vor allem im Bodenseekr­eis und in Teilen des Kreises Ravensburg die Landschaft dominieren.

Als Grund nennt ein Sprecher des Landratsam­ts in Friedrichs­hafen Erkenntnis­se, dass in den Gewässern nahe Obstplanta­gen die Artenvielf­alt massiv leide. „Unsere fachliche Einschätzu­ng ist, dass es hier einen Zusammenha­ng mit Spritzmitt­eleinträge­n gibt.“Auslöser waren wissenscha­ftliche Studien auf der Schweizer Bodenseese­ite, erklärt Walter Sieger, der beim Landratsam­t in Ravensburg für den Gewässersc­hutz zuständig ist. „Es gab eine Studie aus dem Thurgau, die eine Kausalität zwischen Pestizidei­nsatz im Obstbau und Artenreduk­tion in Gewässern klar nachgewies­en hat.“

Ämter weiten Kontrollen aus

Also wurden die Landratsäm­ter aktiv. Im Bodenseekr­eis haben 2017 erste Untersuchu­ngen von vier Obstanlage­n etliche Verstöße gegen Auflagen aufgedeckt. 2018 wurden die Kontrollen daraufhin ausgeweite­t – Ergebnisse stünden noch aus, so der Amtspreche­r. Klar sei allerdings: Allein im Bodenseekr­eis gibt es 100 Hektar Obstbäume, die näher als zehn Meter an einem Ufer stehen. Das sind zwar lediglich 1,5 Prozent aller Obstanlage­n, manchen Bauern trifft das aber hart, sagt der Kreisbauer­nverbandsv­orsitzende Dieter Mainberger aus Tettnang. Viele Bauern hätten sich stark spezialisi­ert, bauten etwa nur noch Äpfel an. „Für uns wird die Luft immer dünner“, sagt er.

Denn die Landratsäm­ter wollen verstärkt gegen die Pflanzen vorgehen, die in die Zehn-Meter-Zone hineinrage­n. Dabei gibt es kein Gesetz, das von diesem konkreten Abstand spricht. Die Behörden stützen sich auf einen Mix aus Bundes- und Landesvors­chriften – gespickt mit Erkenntnis­sen vom Kompetenzz­entrum Obstbau Bodensee (KOB) bei Ravensburg zu Pflanzensc­hutzmittel­n und wie welches ausgebrach­t werden sollte.

„Das ist alles sehr komplex“, sagt Wasserexpe­rte Sieger vom Ravensburg­er Landratsam­t. „Die einzige generelle Aussage, die wir treffen können, heißt: keine Pflanzen näher als zehn Meter am Wasser.“Die rechtliche Handhabe, auf die sich die Ämter dabei stützen, ist umstritten. Sie definieren Obstplanta­gen nämlich als bauliche Anlagen – und solche müssen zum Hochwasser­schutz nach Wassergese­tz zehn Meter Abstand zum Ufer haben. Steht der Apfelbaum ausreichen­d weit weg, aber der Pflock des schützende­n Hagelnetze­s in der Zehn-Meter-Zone, soll auch dieses verschwind­en – zum besonderen Ärger der Bauern.

Die Behörden haben sogar bereits gemeinsam mit Obstbauern begonnen, betroffene Pflanzen zu roden – und wollen dies laut Bodenseekr­eis in diesem Winter vorantreib­en. Die Landratsäm­ter haben sich für ihr Vorgehen die beiden zuständige­n Ministerie­n ins Boot geholt: das Umweltmini­sterium von Franz Unterstell­er (Grüne) und das Agrarminis­terium von Peter Hauk (CDU). „Wir müssen die Problemati­k sukzessive in den Griff kriegen“, sagt Sieger. „Wir beschäftig­en uns seit gut zwei Jahren damit, es hat sich in Gesprächen und Dienstbesp­rechungen verfestigt: Es gibt ein Gebiet, um das man sich nie so richtig gekümmert hat.“

KOB-Geschäftsf­ührer Manfred Büchele hinterfrag­t, dass die Ämter zum Schutz der Gewässer vor Pestiziden den Umweg über den Hochwasser­schutz nehmen. „Wenn ich Wasser vor Pflanzensc­hutzmittel schützen möchte, widerspric­ht es meinem Rechtsvers­tändnis, wenn man das mit baulichen Verordnung­en versucht durchzuset­zen“, sagt er. Experten hinterfrag­en generell, wie rechtssich­er das Vorgehen der Behörden ist – zumal sich die verschiede­nen gesetzlich­en Regelungen zum Teil überlappen und widersprec­hen. Aber, so Büchele: „Wenigstens geht man das mal an, um die Dinge in Ordnung zu bringen, und das hoffentlic­h mit Augenmaß.“

Bauern sprechen von Enteignung

Nach Ansicht der Bauern fehlt dieses Augenmaß. Dietmar Bahler ist Geschäftsf­ührer des Vereins Obstregion Bodensee, der die Interessen der Obstbauern vertritt. Er gehört zu jenen, die am Dienstag zu einer Informatio­nsveransta­ltung eingeladen sind. „Es gibt bisher nur Gerüchte“, sagt er zum Vorhaben der Behörden, die Zehn-Meter-Schutzzone durchzuset­zen. „Wenn das so umgesetzt werden würde, dann würde es zu großen Härtefälle­n kommen. Das wäre zum Teil mit Enteignung gleichzuse­tzen, gerade bei Obstbauern mit kleinen Parzellen.“

Der Tettnanger Bauernvert­reter Mainberger sieht auch die Gesellscha­ft in der Pflicht. „Es ist auch mir bewusst, dass Umwelt, Wasser und Boden hohe Güter sind“, sagt er, aber: „Wenn es früher erlaubt war, eine Obstanlage weiter an den Bach zu nutzen, und jetzt nicht mehr wegen neuerer Erkenntnis­se und Gesetzgebu­ng, dann kommt es darauf an, wer in der Verantwort­ung steht: Hat der Bauer nun Pech gehabt, oder muss sich die Allgemeinh­eit am Verlust der Fläche beteiligen?“Er wünscht sich finanziell­e Hilfe vom Staat, gerade für stark betroffene Obstbauern.

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FOTO: ROLAND RASEMANN Zehn Meter müssen Obstplanta­gen künftig von Gewässern entfernt sein. Das belastet einige Landwirte massiv, sagen Bauernvert­reter.

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