Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Suche nach viertem verschütteten Skifahrer wohl erst heute möglich
Trauer und Betroffenheit in Biberach – Bergretter berichten von der Suchaktion nach den Lawinenopfern von Lech in Vorarlberg
BIBERACH/RAVENSBURG - Der Schock bei der Turngemeinde Biberach sitzt tief, die Trauer ist groß. Vier Skifahrer aus der Region sind am Samstag bei einem Lawinenabgang in Lech am Arlberg verunglückt. Drei von ihnen wurden tot geborgen, der Vierte wird noch immer vermisst. Die Suche nach dem 28-Jährigen konnte am Montag aufgrund schlechten Wetters nicht fortgesetzt werden. Einer der Toten war Vorstandsmitglied der Volksbank Allgäu-Oberschwaben in Leutkirch, bei den drei anderen Männern handelt es sich um erfahrene Skilehrer der TG Biberach.
„Ich bin geschockt und betroffen, und so geht es dem ganzen Verein“, sagt TG-Vorsitzender Hans-Peter Beer. Die drei 36, 32 und 28 Jahre alten Mitglieder der TG Biberach seien gut ausgebildete Skilehrer. Für den Verein sei die Situation derzeit „unheimlich schwierig“, sagte Beer. Man trauere mit den Angehörigen. „Die Anteilnahme ist auch deshalb sehr groß, weil die Verstorbenen über die Skiabteilung hinaus viel für die TG getan haben.“
Aus dem Skigebiet Lech-Zürs gab es am Montag keine guten Nachrichten. Es herrschte Lawinenwarnstufe 5, die höchste auf der Skala. Die Suche nach dem vierten Skifahrer war „gänzlich unmöglich“, sagte Bürgermeister Ludwig Muxel. Weder konnte ein Hubschrauber aufsteigen noch Suchtrupps an den Unglücksort vordringen. Die Suche soll heute fortgesetzt werden.
Christoph Pfefferkorn, Vorstand der Rüfikopfbahn in Lech-Zürs, und Manfred Meusburger, Leiter der
Bergrettung Lech, erzählen exklusiv von der Bergung der verschütteten Skifahrer.
Samstag, kurz vor 20 Uhr: Eine Frau meldet ihren Ehemann bei der Polizei in Lech als vermisst. Zusammen mit drei Freunden aus Oberschwaben war er zur Abfahrt „Langer Zug“aufgebrochen, eine der zehn steilsten der Welt. Was Bergretter und Liftbetreiber zu diesem Zeitpunkt noch nicht wissen: In diesem Gebiet ist kurze Zeit zuvor eine Lawine abgegangen. Pfefferkorn und Meusburger vermuten, dass die vier Skifahrer die Abfahrtsstrecke verlassen haben und weiter ins freie und unmarkierte Gelände gefahren sind. „Es war einfach sehr weit abseits. Deswegen hat wahrscheinlich niemand den Lawinenabgang bemerkt“, sagt Pfefferkorn, der selbst bei der Bergung dabei war. Er und seine Kollegen vermuten, dass die Lawine bereits zwischen 16 und 16.30 Uhr abging und die Gruppe verschüttete.
Die Bergrettung Lech erhält erste Infos und fragt einen Helikopter an. „Aber in der Dunkelheit und bei den schlechten Wetterverhältnissen war es unmöglich, zu starten“, sagt Pfefferkorn. Die Helfer suchen daraufhin mithilfe von Pistenraupen und Tourenskiern nach einer möglichen Lawine. Durch die Ortung der Mobiltelefone der Vermissten können die Bergretter das Suchgebiet relativ schnell eingrenzen. „Wir hatten das große Glück, dass die Angehörigen mit einer Applikation auf ihrem Handy feststellen konnten, wo sich die Vermissten derzeit befinden“, sagt Meusburger.
22 Uhr: Die Retter machen die Stelle ausfindig, an der die Lawine abging. Mit der Pistenraupe versucht Pfefferkorn, den Rettern einen Weg in die Nähe der Lawine zu spuren. „Seit mehreren Tagen wurde dort nicht gespurt, weil es für die Maschinen schwierig war, an dieser Stelle durchzukommen. Wir haben dann aber versucht, Meter für Meter mit viel Maschinengewalt in die Nähe der Lawine zu kommen. Bei den Schneeverhältnissen war das alles andere als witzig“, erzählt Pfefferkorn. „Das war eines der risikobehaftetsten Gebiete, in dem die Skifahrer unterwegs waren.“Etwa 200 Meter von der Unglücksstelle entfernt ist für die Pistenraupe schließlich Schluss. Von dort muss die Gruppe von 20, vielleicht 25 Bergrettern mit Tourenskiern weiter in Richtung Tälialpe, was extrem kräftezehrend für die Helfer ist. „Viele von ihnen haben davor schon weit längere Wege zurückgelegt, um die Lawine überhaupt zu finden“, sagt Pfefferkorn.
23 Uhr: Die Retter finden den ersten Verschütteten. Zwei weitere können sie anhand des Signals ihres Lawinenverschüttungsgeräts (LVS-Gerät) und mit einem Lawinenhund orten. Sie sind zwischen einem und drei Meter tief unter den Schneemassen begraben. Die Suche nach
dem vierten Skifahrer verläuft ergebnislos. Ob er ein LVS-Gerät trug, die Batterien leer waren oder es womöglich ausgeschaltet war, kann Pfefferkorn nicht sagen. Die drei geborgenen Skifahrer bringen die Bergretter mithilfe von Tragen zur Pistenraupe, die die Opfer schließlich ins Tal befördert.
1.30 Uhr: Die Einsatzkräfte entscheiden, die Suche abzubrechen, denn die Lage wird zusehends gefährlicher. Der anhaltende Schneefall wird stärker, immer mehr Neuschnee sammelt sich auf den Hängen über ihnen. Und die Helfer sind erledigt. „Man hat gemerkt, dass bei ihnen die Kräfte einfach zu Ende gingen.“
Die Suche nach dem vermissten 28-Jährigen könne frühestens heute fortgesetzt werden, sagt Pfefferkorn. „Wenn die Wettervorhersage weiterhin so bleibt, ist geplant, mit dem Hubschrauber über das Gebiet zu fliegen und sich einen Überblick zu verschaffen“, sagt Meusburger. Zuerst müsse das Gebiet gesichert werden. „Wir wissen jetzt schon, dass wir dort wahrscheinlich noch mal sprengen müssen, damit wir das Gebiet ohne Gefahr betreten können.“