Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Papstbruder
Was macht ein katholischer Priester, wenn er 95 Jahre alt wird? Er feiert am Morgen die Messe wie an jedem anderen Tag des Jahres auch. Im Falle des früheren Regensburger Domkapellmeisters Georg Ratzinger schaut allerdings der Bischof vorbei und zelebriert den Gottesdienst zusammen mit dem Jubilar in dessen Hauskapelle. Und am 20. Januar würdigt Rudolf Voderholzer die Verdienste des Kirchenmusikers bei einer Vesper im Regensburger Dom. Beide Male singen die Regensburger Domspatzen, die Ratzinger 30 Jahre leitete. Am 15. Januar feiert er seinen „kleinen“runden Geburtstag.
Mit 81 Jahren war Ratzinger schon ein alter Mann, als sich sein Leben nochmals grundlegend ändern sollte. Am 19. April 2005 wurde er plötzlich zum Bruder des Papstes. Den historischen Rücktritt des gesundheitlich angeschlagenen Bruders vom Amt des Papstes am 11. Februar 2013 kommentierte Georg Ratzinger nüchtern: „Das Alter drückt.“
Georg und Joseph Ratzinger wurden am 29. Juni 1951 im Freisinger Dom zu katholischen Priestern geweiht. Während der Jüngere danach rasch als Kirchengelehrter von sich reden machte, studierte der drei Jahre Ältere zusätzlich Musik und wurde nach Kaplanjahren und einer Station als Kirchenmusiker in Traunstein 1964 Domkapellmeister in Regensburg. In dieser Funktion leitete er bis 1994 die Domspatzen. Ratzinger führte den berühmten Knabenchor zu Konzertreisen in alle Welt.
Als vor neun Jahren Misshandlungen und sexueller Missbrauch bei den Domspatzen bekanntwurden, entschuldigte sich Georg Ratzinger dafür, Chorknaben geohrfeigt zu haben. Während einzelne Sänger sich daraufhin von ihm abwandten, nahmen ihn andere gegen Prügelvorwürfe in Schutz.
Materielle Wünsche zum 95. Geburtstag hat Ratzinger nicht. Vielmehr vertraut der tiefgläubige Mensch darauf, „dass das Hinübergehen in die Ewigkeit nicht so mühsam wird“. Und er freut sich, dass er am Geburtstag telefonisch die Glückwünsche seines Bruders entgegennehmen kann. (dpa)