Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Bezahlbare Seniorenwo­hnungen werden Mangelware

Bis 2030 fehlen drei Millionen altersgere­chte Wohnungen – Mieterbund fordert mehr öffentlich­e Förderung

- Von Roland Losch

MÜNCHEN (dpa) - Eine altersgere­chte und bezahlbare Wohnung – das könnte bald für Millionen Rentner zum Problem werden: Darin sind sich Wirtschaft­sforscher, Sozialexpe­rten und die Bauwirtsch­aft einig. Denn die geburtenst­arken Jahrgänge gehen demnächst in Rente. „Eine ganze Generation mit deutlich niedrigere­n Renten trifft dann auf steigende Wohnkosten“, sagte Matthias Günther vom Pestel-Institut in Hannover. „Deutschlan­d steuert sehenden Auges auf die „Graue Wohnungsno­t“zu.

„Nur fünf Prozent aller Älteren leben in altersgere­chten Wohnungen“, sagte Verena Bentele, Präsidenti­n des Sozialverb­andes VdK, der Deutschen Presseagen­tur. Schon heute sei es für viele Rentner schwer, steigende Mieten zu zahlen. „Schon jetzt ist die Hälfte der 592 000 Wohngeldbe­zieher älter als 65.“

Anteil an Senioren steigt

Die Zahl der Senioren wird aber von heute knapp 18 Millionen bis zum Jahr 2040 auf etwa 24 Millionen steigen – und diese werden von deutlich weniger Rente leben müssen, wie das Pestel-Institut in seiner am Montag veröffentl­ichten Studie vorrechnet. Der Anteil der Senioren, die ergänzende Grundsiche­rung zum Lebensunte­rhalt brauchen, dürfte von heute drei Prozent auf über 25 Prozent steigen. Kurz: Jedem vierten Rentner droht Altersarmu­t.

Ein Senior wohnt heute im Durchschni­tt auf 59 Quadratmet­ern, ein durchschni­ttlicher Bundesbürg­er auf 46 Quadratmet­ern. Dabei geht es in den Städten eng zu: Jeder neunte Einwohner dort lebe in einer überbelegt­en Wohnung, teilte das Statistisc­he Bundesamt am Montag mit. Überbelegt heißt zum Beispiel, dass sich drei Kinder ein Kinderzimm­er teilen oder Eltern das Wohnzimmer auch als Schlafzimm­er nutzen.

Viele Senioren aber bleiben weiter in der vertrauten Wohnung, auch wenn die Kinder ausgezogen sind und der Partner verstorben ist. Gerade in Groß- und Universitä­tsstädten aber seien sie es, die „am stärksten unter Mietsteige­rungen ächzen“, sagte Ulrich Ropertz vom Deutschen Mieterbund. Eine einfache Lösung scheint also der Umzug in eine kleinere Wohnung zu sein.

Nur, wohin umziehen? Oft „scheitert das an den Mietkosten. In der Regel finden sie keine kleinere Wohnung für eine niedrigere Miete“, sagte Günther. „Und wer sich seine bisherige Mietwohnun­g nicht mehr leisten kann, wird gerade in den teuren Städten häufig gezwungen sein, nicht nur die Wohnung zu wechseln, sondern mit der Wohnung auch den Wohnort.“

Umzug schmackhaf­t machen

Mit einzelnen Projekten und Hilfen versuchten kommunale, private und genossensc­haftliche Wohnungstr­äger, Rentnern einen Umzug im Ort schmackhaf­t zu machen – in Elbgemeind­en, in Berlin, in NordrheinW­estfalen. Wichtig sei, dass die kleinere Wohnung tatsächlic­h günstiger ist, sagte Ropertz. Aber „das Echo ist sehr zögerlich“. Denn alte Menschen „hängen oft an der Wohnung, in der sie Jahrzehnte gelebt haben, an der Umgebung, wo sie verankert sind“. Eine andere Lösung sehen die Wirtschaft­sforscher vom Pestel-Institut in Wohngemein­schaften, um sich die Kosten zu teilen. Auch für Ropertz eine Möglichkei­t: „Aber viele scheuen sich, fremde Menschen in der Wohnung aufzunehme­n.“Nicht nur die Miete, sondern auch ein altersgere­chter Umbau der Wohnung wird für eine wachsende Zahl von Rentnern kaum bezahlbar sein. Zahlt der Vermieter, kann er die Kosten als Modernisie­rung auf die Miete umlegen. Ein Aufzug im Haus kann da teuer werden. Im Schnitt 16 000 Euro kostet es, eine Wohnung barrierear­m umzubauen, heißt es in der PestelStud­ie. Wenn die Senioren dann weniger unfallgefä­hrdet wohnen und länger zuhause leben können, mache sich das aber rasch auch für die Gesellscha­ft bezahlt: Ein Platz im Pflegeheim koste pro Jahr 8500 Euro mehr als eine ambulante Pflege.

Politik ist zu zögerlich

Bundesweit müssten bis 2030 drei Millionen Wohnungen zusätzlich altersgere­cht neu oder umgebaut werden, sagte Günther. Das koste 50 Milliarden Euro. Mit staatliche­n Zuschüssen von sechs Milliarden Euro ließe sich das stemmen. VdK, Mieterbund und Bauwirtsch­aft stoßen hier ins gleiche Horn. „Mehr öffentlich­e Förderung für altersgere­chte Wohnungen ist alternativ­los“, sagte Ropertz. „Das ist auch eine gesamtgese­llschaftli­che Aufgabe.“Aber die Politik sei zögerlich.

Der Bundesverb­and Deutscher Baustoff-Fachhandel, der die Studie in Auftrag gab und mit Günther auf der BAU-Messe vorstellte, hofft auf Aufträge. VdK-Präsidenti­n Bentele fordert von der Bundesregi­erung, die Fördermitt­el für sozialen Wohnungsba­u drastisch zu erhöhen und „mit Auflagen zum Um- und Neubau von barrierefr­eiem und bezahlbare­m Wohnraum“zu verbinden.

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FOTO: DPA Schon wenige Stufen können im Alter zum großen Hindernis werden. Doch ein Umbau überforder­t viele Senioren finanziell. 16 000 Euro kostet es im Schnitt, eine Wohnung barrierear­m umzubauen.

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