Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Pranger für Ekel-Gastronomen
Auf einem neuen Onlineportal können Verbraucher Hygieneberichte anfragen
BERLIN - Auf der Onlineplattform Topf secret können Verbraucher nachfragen, wie sauber der Imbiss, der Bäcker, der Wurstproduzent arbeiten. Laut der Verbraucherorganisation Foodwatch finden sich bei jeder vierten Kontrolle Mängel. Stinkendes Wasser steht in den Pfützen, in der Weißwurstlake schwimmen Schmutzpartikel, die Maschinen sind verdreckt: Der Lebensmittelkontrolleur in der bayerischen Wurstfabrik „Landsberger Wurstspezialitäten“vermerkt über Monate hinweg wenig Appetitliches. Die Behörde informiert die Öffentlichkeit aber nicht. Bekannt wird der Fall erst als die Verbraucherorganisation Foodwatch die Berichte erstreitet.
Ein anderes Mal findet die Lebensmittelaufsicht Schimmel, Mäusekot, Kakerlaken in einer Bäckerei, die Produktion läuft dennoch weiter. Ebenso übel: Die Auslieferung von Eiern einer Firma wird nicht gestoppt, obwohl die Verantwortlichen wussten, dass es an einigen Standorten Probleme mit Salmonellen gab.
Das hat es alles schon gegeben. Nun aber soll die „Geheimniskrämerei“der Behörden, so nennt das Foodwatch, ein Ende haben. Zusammen mit der Initiative Frag Den Staat startete die Organisation am Montag „Topf secret“: Auf diesem Onlineportal können Verbraucherinnen und Verbraucher herausfinden, wie es aussieht mit der Hygiene in ihrem Stammlokal, ihrer Bäckerei um die Ecke oder beim Produzenten ihrer Lieblingswurst.
Anfrage per Klick
Die Grundlage ist das Verbraucherinformationsgesetz, VIG. Nach dem können Bürger Auskunft verlangen, tun sie aber selten. www.topf-secret.foodwatch.de will es nun jedem einfach machen. Wer die Seite aufruft, kann ein beliebiges Restaurant oder irgendeinen Lebensmittelbetrieb über eine Suchmaske oder per Klick auf einer Straßenkarte aussuchen. Man gibt den eigenen Namen, E-Mail- und Postadresse ein. Topf secret stellt einen vorbereiteten Text dazu. Dann geht alles als Anfrage an die zuständige Behörde, um die Ergebnisse der amtlichen Hygiene-Kontrolle zu bekommen. In wenigen Minuten ist das erledigt. Nur danach braucht es etwas Geduld, bis die Behörden sich melden, kann es einige Wochen dauern.
Topf secret sei eine „Notwehrmaßnahme“sagt Oliver Huizinga von foodwatch. Seit Jahren werde jeder vierte Betrieb, der kontrolliert wird, auch beanstandet, der Name aber nur selten bekannt. So steht auf der Plattform derzeit auch noch kaum etwas. Sie soll sich aber peu à peu füllen. Huizinga: „Je mehr Menschen mitmachen und Anträge stellen, desto mehr Infos kommen ans Licht.“Der Ansporn auf Hygiene zu achten, soll damit erhöht werden. Anders gesagt: Schmuddelbetrieben soll das Handwerk gelegt werden. Huizinga verweist auf Dänemark, Wales und Norwegen.
In Dänemark hängen in allen Bäckereien, Metzgereien und Restaurants gut sichtbar an der Ladentür oder im Schaufenster glücklichere, weniger glückliche oder traurige Smileys. Grinst er, ist alles bestens mit der Sauberkeit. Lacht er verhalten, fanden die Kontrolleure kleine Mängel, guckt er traurig, ging es um Schlampereien, für die es mindestens eine Geldstrafe gab. Die Dänen können auch bei den Lebensmittelbehörden im Internet nach Prüfberichten suchen. Schon wenige Jahre nach der Einführung 2002 hat sich die Quote der beanstandeten Betriebe halbiert. In Norwegen grinsen seit 2016 Smileys, dort fiel die Zahl der schlampigen Betriebe von 32 Prozent auf 21. In Wales informiert derweil eine fünfstufige Skala über die Kontrollergebnisse. Die Folge dort: Wurden 2013 noch 13 Prozent der Betriebe schlecht bewertet, waren es 2017 nur noch fünf Prozent.
Auch in Deutschland gab es schon einzelne Vorstöße. So prangten zum Beispiel mal im Berliner Bezirk Pankow die Hygiene-Smileys. Doch zogen dagegen zwei Unternehmen, die mies abgeschnitten hatten, vors Gericht – und bekamen Recht. Denn „Informationen über festgestellte Verstöße“dürften veröffentlicht werden, Bewertungen nicht. Seither ist das Lächeln wieder verschwunden. Und in Nordrhein-Westfalen ging es über einen Vorsatz erst gar nicht hinaus: Als Schwarz-Gelb die Regierung übernahm, schaffte sie die von Rot-Grün zuvor geplante Hygiene-Ampel ab.
Immerhin hat sich die schwarzrote Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag darauf verständigt, „eine übersichtliche und eindeutige Verbraucherinformation zu Hygiene und Lebensmittelsicherheit“zu schaffen. Nur: Es soll den Betrieben überlassen bleiben, ob sie diese wirklich nutzen wollen. Freiwilligkeit helfe aber nicht weiter, meint Verbraucherschützer Huizinga. Das habe sich in Hannover und Braunschweig – es war ein Pilotprojekt des niedersächsischen Agrarministeriums – gezeigt. Dort konnten Unternehmen freiwillig ein Hygiene-Barometer aushängen – es machten vier Prozent.
Dehoga kritisiert Populismus
Arne Semsrott von Frag den Staat hofft nun auf den Druck der Verbraucher. „Topf secret“solle zeigen, dass diese bundesweit wissen wollen, wie sauber ihre Lieblingswurst, ihr Frühstücksei, das Marmeladenbrötchen hergestellt wurden. Die Onlineplattform sei da nur eine „Zwischenlösung“. Semsrott: „Wenn die Bundesregierung in Zukunft die Veröffentlichung aller Kontrollergebnisse vorschreibt, schalten wir unsere Plattform gerne wieder ab.“
Die Wirtschaftslobby wehrt sich. Ingrid Hartges, Hauptgeschäftsführerin des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes, Dehoga, etwa erklärte, der „Mitmach-Internetpranger“sei „reinster Populismus“.
Das neue Verbraucherportal finden Sie unter www.topf-secret.foodwatch.de