Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Trump – ein Anschlag auf die Demokratie

Michael Moore setzt sich in seiner neuen Doku mit dem US-Präsidente­n auseinande­r

- Von Stefan Rother

Donald Trump ist gefühlt ohnehin „24/7“– also rund um die Uhr – in Fernsehen, Zeitungen und sozialen Medien präsent: Braucht es da wirklich auch noch eine Kinodokume­ntation über ihn? Aber der neue Film von Michael Moore mit dem Titel „Fahrenheit 11/9“ist weitaus mehr als die erwartbare Abrechnung mit dem Mann im Oval Office. Der Filmemache­r wirft Fragen auf: „Wie zum Teufel konnte es so weit kommen?“und: „Was könnte man gegen und nach Trump machen?“Sein Film wird manche empören. Streckenwe­ise ist er wirklich deprimiere­nd. Anderersei­ts blickt er aber auch nicht ohne Hoffnung in die Zukunft.

Der Film kommt mit rund vier Monaten Verspätung in die deutschen Kinos. Das ist keine ungewöhnli­che Zeitspanne, macht in diesem Fall aber einen erhebliche­n Unterschie­d. Denn Moore hat sein Werk gezielt mit Blick auf die amerikanis­chen Midterm-Wahlen im vergangene­n November produziert. Ausgiebig lässt er Kandidaten des (für amerikanis­che Verhältnis­se) eher links-progressiv­en Spektrums zu Wort kommen und preist deren Potenzial als Kräfte der Erneuerung.

Die böse Überraschu­ng

Mittlerwei­le sind einige von ihnen nicht nur gewählt worden, sondern sorgen bereits für reichlich Wirbel, wie er ganz nach dem Geschmack des ebenfalls nicht zimperlich­en Moore ist: Vorneweg der neue Medienstar der Demokraten, Alexandria Ocasio-Cortez aus Trumps Heimatbezi­rk Queens in New York, aber auch die durch deftige Statements und Aktionen aufgefalle­ne erste muslimisch­e Abgeordnet­e Rashida Tlaib aus Detroit.

Entschiede­nen Gegnern der Trumpschen Politik könnte das Mut machen – was allerdings auch bitter nötig ist, denn der Auftakt dürfte für diese besonders schmerzlic­h sein. Hier kehrt Moore nochmal zurück zu der Wahlnacht im November, bei der im Vorfeld so ziemlich alle Experten von einem Sieg Hillary Clintons ausgingen. Am nächsten Tag erwachten sie aber mit einem Präsidente­n Trump. Das Datum nach amerikanis­cher Schreibwei­se „11/9“ist natürlich eine Referenz an Moores erfolgreic­he Dokumentat­ion „Fahrenheit 9/11“über den Anschlag auf das World Trade Center. Hinsichtli­ch der Auswirkung­en auf Demokratie und Freiheit hält der Filmemache­r die Terrorangr­iffe von 2011 offenkundi­g für vergleichb­ar mit der Wahl Trumps zum Präsidente­n.

Die Wurzeln für den Erfolg des Immobilien­unternehme­rs und Entertaine­rs liegen nach Moores Meinung aber tiefer, unter anderem in der Politik Bill Clintons. Der habe viele Positionen der Republikan­er übernommen, worauf diese noch weiter nach rechts gerückt seien.

Von Thema zu Thema

In der für seine Dokumentat­ionen typischen Manier springt er mit seiner Analyse über gut zwei Stunden wild von Thema zu Thema und wieder zurück und vermischt dabei Unterhalts­ames mit Bemerkensw­ertem. Zur ersten Kategorie zählt die Hypothese, Auslöser für die Kandidatur Trumps sei letztlich Gwen Stefani gewesen: Als Trump erfahren habe, dass die Sängerin für ihre Rolle als Fernsehjur­orin ein höheres Honorar als er selbst erhalte, habe er die Verkündigu­ng seiner Kandidatur inszeniert. Ursprüngli­ch nur ein Werbegag, sei das Echo so groß geworden, dass er darauf die Sache ernsthaft durchgezog­en habe.

Da mag etwas dran sein. Zur zweiten, ernst zu nehmenden Kategorie zählt aber eher die Analyse, dass die Amerikaner eigentlich liberale Werte vertreten – diese aber in der Politik kaum repräsenti­ert seien. So teilt Moore heftig gegen die stets von Kompromiss­en besessene demokratis­che Partei aus. Er wirft ihr vor, den von ihm bevorzugte­n Präsidents­chaftskand­idaten Bernie Sanders durch Verfahrens­tricks verhindert zu haben.

Auch Barack Obama kommt nicht gut weg. Der Film zeigt, wie ungenügend der Präsident auf den Skandal um das durch Blei belastete Trinkwasse­r in der Stadt Flint in Michigan reagiert hat.

Im stärksten Teil seiner Doku zeigt Moore die Hintergrün­de auf. Er verbindet dies mit einer Vielzahl von grundlegen­den Themen, mit institutio­nellem Rassismus, wirtschaft­lichem Niedergang und problemati­scher Privatisie­rung. Das dürfte den meisten Zuschauern zu Recht Zornesfalt­en auf die Stirn treiben.

Stirnrunze­ln könnte vor allem hierzuland­e eine Sequenz hervorrufe­n, in der der Ton einer Rede Trumps über Bilder eines Auftritts von Adolf Hitler gelegt wird. Zum Glück bleibt es aber nicht bei einer billigen Polemik, vielmehr diskutiert Moore gemeinsam mit Historiker­n die Gründe für den Niedergang der Weimarer Republik. Und hier lassen sich durchaus Parallelen ziehen, aus dem Handbuch autoritäre­r Politiker hat sich Moore wissentlic­h oder intuitiv bedient.

Trauer und Hoffnung gleicherma­ßen ruft dann das Segment über das Schulmassa­ker von Parkland hervor. Denn als Folge des Amoklaufs ist eine Gruppe von Schülern ins Rampenlich­t geraten, die sich äußerst eloquent und gut organisier­t für Waffenkont­rolle einsetzt. „Wir wurden von unserem Mobiltelef­on erzogen“, sagt eine Vertreteri­n dieser „Parkland Teens“. Vermutlich zum Schrecken mancher Eltern, aber eben auch von Donald Trump, können sie ihm doch auf seiner Lieblingss­pielwiese, den sozialen Medien, auf Augenhöhe gegenübert­reten.

Fahrenheit 11/9. Regie: Michael Moore. Mit Donald Trump, Michael Moore, Gwen Stefani. USA 2018. 128 Minuten.

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FOTO: DPA Immer auf Krawall gebürstet: Donald Trump, Präsident der USA, bei einer Pressekonf­erenz im Weißen Haus.
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FOTO: IMAGO Michael Moore bei der Premiere zu „Fahrenheit 11/9“.

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