Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Trump – ein Anschlag auf die Demokratie
Michael Moore setzt sich in seiner neuen Doku mit dem US-Präsidenten auseinander
Donald Trump ist gefühlt ohnehin „24/7“– also rund um die Uhr – in Fernsehen, Zeitungen und sozialen Medien präsent: Braucht es da wirklich auch noch eine Kinodokumentation über ihn? Aber der neue Film von Michael Moore mit dem Titel „Fahrenheit 11/9“ist weitaus mehr als die erwartbare Abrechnung mit dem Mann im Oval Office. Der Filmemacher wirft Fragen auf: „Wie zum Teufel konnte es so weit kommen?“und: „Was könnte man gegen und nach Trump machen?“Sein Film wird manche empören. Streckenweise ist er wirklich deprimierend. Andererseits blickt er aber auch nicht ohne Hoffnung in die Zukunft.
Der Film kommt mit rund vier Monaten Verspätung in die deutschen Kinos. Das ist keine ungewöhnliche Zeitspanne, macht in diesem Fall aber einen erheblichen Unterschied. Denn Moore hat sein Werk gezielt mit Blick auf die amerikanischen Midterm-Wahlen im vergangenen November produziert. Ausgiebig lässt er Kandidaten des (für amerikanische Verhältnisse) eher links-progressiven Spektrums zu Wort kommen und preist deren Potenzial als Kräfte der Erneuerung.
Die böse Überraschung
Mittlerweile sind einige von ihnen nicht nur gewählt worden, sondern sorgen bereits für reichlich Wirbel, wie er ganz nach dem Geschmack des ebenfalls nicht zimperlichen Moore ist: Vorneweg der neue Medienstar der Demokraten, Alexandria Ocasio-Cortez aus Trumps Heimatbezirk Queens in New York, aber auch die durch deftige Statements und Aktionen aufgefallene erste muslimische Abgeordnete Rashida Tlaib aus Detroit.
Entschiedenen Gegnern der Trumpschen Politik könnte das Mut machen – was allerdings auch bitter nötig ist, denn der Auftakt dürfte für diese besonders schmerzlich sein. Hier kehrt Moore nochmal zurück zu der Wahlnacht im November, bei der im Vorfeld so ziemlich alle Experten von einem Sieg Hillary Clintons ausgingen. Am nächsten Tag erwachten sie aber mit einem Präsidenten Trump. Das Datum nach amerikanischer Schreibweise „11/9“ist natürlich eine Referenz an Moores erfolgreiche Dokumentation „Fahrenheit 9/11“über den Anschlag auf das World Trade Center. Hinsichtlich der Auswirkungen auf Demokratie und Freiheit hält der Filmemacher die Terrorangriffe von 2011 offenkundig für vergleichbar mit der Wahl Trumps zum Präsidenten.
Die Wurzeln für den Erfolg des Immobilienunternehmers und Entertainers liegen nach Moores Meinung aber tiefer, unter anderem in der Politik Bill Clintons. Der habe viele Positionen der Republikaner übernommen, worauf diese noch weiter nach rechts gerückt seien.
Von Thema zu Thema
In der für seine Dokumentationen typischen Manier springt er mit seiner Analyse über gut zwei Stunden wild von Thema zu Thema und wieder zurück und vermischt dabei Unterhaltsames mit Bemerkenswertem. Zur ersten Kategorie zählt die Hypothese, Auslöser für die Kandidatur Trumps sei letztlich Gwen Stefani gewesen: Als Trump erfahren habe, dass die Sängerin für ihre Rolle als Fernsehjurorin ein höheres Honorar als er selbst erhalte, habe er die Verkündigung seiner Kandidatur inszeniert. Ursprünglich nur ein Werbegag, sei das Echo so groß geworden, dass er darauf die Sache ernsthaft durchgezogen habe.
Da mag etwas dran sein. Zur zweiten, ernst zu nehmenden Kategorie zählt aber eher die Analyse, dass die Amerikaner eigentlich liberale Werte vertreten – diese aber in der Politik kaum repräsentiert seien. So teilt Moore heftig gegen die stets von Kompromissen besessene demokratische Partei aus. Er wirft ihr vor, den von ihm bevorzugten Präsidentschaftskandidaten Bernie Sanders durch Verfahrenstricks verhindert zu haben.
Auch Barack Obama kommt nicht gut weg. Der Film zeigt, wie ungenügend der Präsident auf den Skandal um das durch Blei belastete Trinkwasser in der Stadt Flint in Michigan reagiert hat.
Im stärksten Teil seiner Doku zeigt Moore die Hintergründe auf. Er verbindet dies mit einer Vielzahl von grundlegenden Themen, mit institutionellem Rassismus, wirtschaftlichem Niedergang und problematischer Privatisierung. Das dürfte den meisten Zuschauern zu Recht Zornesfalten auf die Stirn treiben.
Stirnrunzeln könnte vor allem hierzulande eine Sequenz hervorrufen, in der der Ton einer Rede Trumps über Bilder eines Auftritts von Adolf Hitler gelegt wird. Zum Glück bleibt es aber nicht bei einer billigen Polemik, vielmehr diskutiert Moore gemeinsam mit Historikern die Gründe für den Niedergang der Weimarer Republik. Und hier lassen sich durchaus Parallelen ziehen, aus dem Handbuch autoritärer Politiker hat sich Moore wissentlich oder intuitiv bedient.
Trauer und Hoffnung gleichermaßen ruft dann das Segment über das Schulmassaker von Parkland hervor. Denn als Folge des Amoklaufs ist eine Gruppe von Schülern ins Rampenlicht geraten, die sich äußerst eloquent und gut organisiert für Waffenkontrolle einsetzt. „Wir wurden von unserem Mobiltelefon erzogen“, sagt eine Vertreterin dieser „Parkland Teens“. Vermutlich zum Schrecken mancher Eltern, aber eben auch von Donald Trump, können sie ihm doch auf seiner Lieblingsspielwiese, den sozialen Medien, auf Augenhöhe gegenübertreten.
Fahrenheit 11/9. Regie: Michael Moore. Mit Donald Trump, Michael Moore, Gwen Stefani. USA 2018. 128 Minuten.