Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Der erste Brocken wird zum Stolperste­in

Deutsche Handballer lassen beim 22:22 gegen Russland zu viele Chancen aus

- Von Felix Alex

BERLIN - Es war der Moment, der alles hätte ändern können. Doch als Steffen Fäth in der letzten Sekunde dieses Spiels gegen Russland den Freiwurf in die russische Abwehr donnerte, war er besiegelt, der erste kleine Dämpfer im bisher so perfekten deutschen WM-Märchen.

Dabei hätte es genauso gut anders enden können. Nicht umsonst herrschte nach dem verschenkt­en Sieg beim 22:22 (12:10) gegen Russland in der sonst tosenden Berliner Halle Stille – einzig die russischen Spieler bildeten eine Jubeltraub­e und riefen nach dem Remis ihre Freude in die Arena hinaus.

„Die Russen haben es heute clever gemacht in der Deckung: uns Passund Anlaufwege weggenomme­n. Zudem haben wir einige Chancen liegen lassen“, sagte ein gefasster Kapitän Uwe Gensheimer nach dem vermeidbar­en kleinen Stimmungsd­ämpfer keine 24 Stunden vor dem Kracherdue­ll gegen Rekordwelt­meister Frankreich (20.30/ZDF). „Es ist enttäusche­nd, weil wir den Sack nicht zugemacht haben. Das ist ein bisschen ärgerlich“, sagte Bundestrai­ner Christian Prokop. Was er meinte: 20:17 hatte die deutsche Mannschaft acht Minuten vor dem Ende noch geführt, die vorzeitige – und supersouve­räne – Qualifikat­ion für die Hauptrunde war greifbar.

Doch einfache Fehler und Schwächen im Abschluss erlaubten den Russen neun Sekunden vor dem Ende den Ausgleich. „Dass heute nur 22 Tore stehen, ist sicherlich ein Grund, warum wir das Spiel nicht gewonnen haben“, formuliert­e Rechtsauße­n Patrick Groetzki. Auch Kreisläufe­r Patrick Wiencek sah das Problem: „Wir haben im Angriff heute keine Lösungen gefunden“, sagte der Hüne. Rückraumsp­ieler Fabian Böhm gestand: „In manchen Situatione­n waren wir teilweise überrascht, mit welchen Positionen sie verteidigt haben.“

Dabei sah es beinahe durchgängi­g so aus, als würde das DHB-Team dieses Spiel nicht hergeben. „Wir haben über 60 Minuten immer mit zwei bis drei Toren geführt, das müssen wir eigentlich nach Hause bringen, ärgerte sich Paul Drux.

Abwehr wieder stark

So wurde Russland, der erste „harte Brocken“(Fabian Böhm), der erste Teil von „zwei Spitzenspi­elen auf einen Schlag“(Axel Kromer) nach den zwei Siegen gegen die nicht nur auf dem Papier schwächere­n Koreaner und Brasiliane­r zum Auftakt zum ersten Stolperste­in.

Denn die Russen zeigten ihr von Prokop angekündig­tes trickreich­es Spiel. Sehr offensiv deckend und konsequent die schnelle Mitte (ein direkter, schneller Spielaufba­u durch den Torwart nach einem Gegentor, die Red.) nutzend, waren die erwartbare­n und doch erfolgreic­hen Varianten des Teams von Trainer Eduard Koksharov. Würfe antäuschen und auslassen, Bogenbälle über Torhüter Andreas Wolff – das russische Spiel mit einer Portion Härte und Cleverness forderte durchgängi­g.

Zwar war auf das deutsche Herzstück erneut Verlass: Die Abwehr – garniert von den starken Torhütern – ist das Faustpfand der Mannschaft. Doch ließ das Team wie bereits bei den souveränen Erfolgen gegen Korea und Brasilien einige Chance aus. Diesmal rächte es sich aber.

Was bleibt, war die Aussicht, es quasi sofort gegen Frankreich besser machen zu können. „Dass wir gleich morgen wieder spielen ist vielleicht kein körperlich­er, aber ein mentaler Vorteil, auch wenn es gegen den besten Kader der WM geht“, sagte Wiencek und auch Böhm ist sich sicher: „Bei einer WM kriegt man so was leicht aus den Köpfen. Morgen ist das nächste Spiel, da werden die Köpfe ganz schnell wieder nach oben gehen und wir werden bereit sein.“

Für Deutschlan­d trafen: Gensheimer (Paris/8), Weinhold (Kiel/3), Groetzki (Rhein-NeckarLöwe­n/2), Böhm (Hannover/2), Pekeler (Kiel/2), Drux (Berlin/2), Fäth (Rhein-Neckar Löwen/1), Kohlbacher (Rhein-Neckar Löwen/1), Strobel (Balingen/1),

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FOTO: IMAGO Kein Durchkomme­n – Steffen Weinhold (Mi.) und Kollegen fanden gegen die russische Abwehr wenig Mittel.

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