Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Das Unwort 2018 kommt von Dobrindt
Der CSU-Landesgruppenchef reagiert gelassen auf die Wahl seines Ausdrucks „Anti-Abschiebe-Industrie“
BERLIN – Betont gelassen nimmt Alexander Dobrindt beim weißblauen Stammtisch mit Journalisten die neue Nachricht auf: „Anti-Abschiebe-Industrie“, der von ihm geprägte Begriff hat das Rennen um das „Unwort des Jahres“gemacht, das vom Institut für Sprach- und Literaturwissenschaft der Technischen Universität Darmstadt gekürt wird.
Die Literaturprofessorin Nina Janich, Sprecherin der Jury, sagt, eine solche Äußerung von einem wichtigen Politiker einer Regierungspartei zeige, „wie sich der politische Diskurs sprachlich und in der Sache nach rechts verschoben hat.“
Für Dobrindt selbst kommt die „Auszeichnung“zu einem unglücklichen Zeitpunkt. CDU und CSU haben beim Thema Flüchtlinge gerade eine Art Friedenspakt geschlossen und so will Dobrindt nicht neues Öl ins Feuer gießen. Ohnehin sah es vor drei Monaten noch so aus, als könnte Markus Söders Wort „Asyltourismus“Dobrindt den Rang ablaufen.
Der CSU-Landesgruppenchef selbst meint: „Ich hätte mich eher für die ,testosterongesteuerten Männerhorden‘ entschieden, aber ich bin nicht Teil der Jury.“Den Begriff hatte Baden-Württembergs grüner Ministerpräsident Winfried Kretschmann im Herbst geprägt. Kretschmann wiederum findet es gut, dass Dobrindts Worte zum Unwort gekürt wurde. „Das sind einfach Formulierungen, die nicht gehen.“Wörtlich hatte Dobrindt in der „Bild am Sonntag“ gesagt: „Die Anti-Abschiebe-Industrie nutzt die Mittel des Rechtsstaates, um ihn durch eine bewusst herbeigeführte Überlastung von innen heraus zu bekämpfen. 2015 wurden unsere Grenzen überrannt, jetzt versuchen Abschiebe-Saboteure das Gleiche mit unseren Gerichten.“
Auf Platz zwei der Jury landete der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer – mit dem Ausdruck „Menschenrechtsfundamentalismus“anlässlich einer Debatte zur Seenotrettung von Flüchtlingen. Palmer bezeichnete die Wahl am Dienstag als „unwissenschaftlich und ärgerlich“. Seiner Ansicht nach hat die Jury den Begriff losgelöst vom Zusammenhang bewertet, in dem er ihn benutzt habe. Er habe „Menschenrechtsfundamentalismus“nicht auf die Frage bezogen, ob man Menschen in Seenot retten solle. Die Frage sei gewesen, ob man Gerettete nach Afrika bringen dürfe oder ob sich das bereits um eine Menschenrechtsverletzung handle.