Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Halben menschlichen Schädel entdeckt
Historischer Fund bei Wasserburg wirft viele neue Fragen auf
WASSERBURG - In der Nähe des Fundortes des 3150 Jahre alten Wasserburger Einbaums haben Experten einen halben Schädel entdeckt und geborgen. Nach Angaben des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege wird er derzeit untersucht, mit einem Ergebnis wird frühestens in acht Wochen gerechnet.
Die Nachricht hatte überregional für enorme Aufmerksamkeit gesorgt: Im April vergangenen Jahres war mit dem 6,80 Meter langen und 1,05 Meter breiten, aus Eichenholz gefertigten Einbaum der älteste Schiffsfund im Bodensee und zugleich Bayerns ältestes Wasserfahrzeug der Öffentlichkeit präsentiert worden. Entdeckt hatte ihn der Wasserburger Christoph Schmid bereits 2015 bei einem Tauchgang 170 Meter vom Ufer entfernt im Bodensee nahe der Eschbach-Mündung.
Als jetzt die Wissenschaftler nochmals vor Ort waren, sind sie in der Umgebung der Einbaum-Fundstelle auf den halben Schädel, eine so genannte Schädelkalotte, sprich, das knöcherne Dach eines Schädels, gestoßen. Ob er genauso alt ist wie der Wasserburger Einbaum, zumal er dort in der Nähe gefunden wurde? Ob es am Fundort des halben Schädels eine prähistorische Siedlung gegeben hat? Fragen über Fragen, die sich den Experten stellen.
Siedlung bei Wasserburg?
Der neue Fund könnte auf eine derartige Siedlung vor Wasserburg hindeuten. Dass es dort oder in der Nähe Dörfer gegeben hat, davon sind die Wissenschaftler überzeugt. Einzig bei Lindau-Zech gibt es derzeit ein Verdachtsgebiet für eine Ansiedlung.
Ihre Annahme von der weiteren Existenz solcher Siedlungen in Ufernähe begründen die Wissenschaftler unter anderem damit, dass nahe Wasserburg, in Hemigkofen (heute Kressbronn) – im Sommer 1911 fast zeitgleiche Gräber aus der sogenannten Urnenfelderzeit entdeckt wurden; der Verstorbene im Brandgrab von Hemigkofen könnte tatsächlich ein Zeitgenosse des Einbaums gewesen sein, da dessen die Schwerter etwa von 1200 bis 1050 datieren. „Die Menschen damals werden ihre Toten nicht ewig weit transportiert haben“, sagt ein Wissenschaftler.
Offiziell möchte derzeit kaum einer eine Stellungnahme abgeben: Zwar ist die Hoffnung unter den Experten, dass der halbe Schädel aus der Einbaum-Zeit stammen könnte, gering, doch würde das Untersuchungsergebnis eine derartige These bestätigen, wäre die Sensation groß. „Dass am Ufer mehr war, ist klar“, sagt ein Wissenschaftler. Und fügt an: „Die heutige Absenz derartiger Siedlungen wäre kein Beweis dafür, dass es sie nicht gegeben hat.“Ein freiberuflicher Anthropologe ist derzeit damit beauftragt, den neuen Wasserburger Fund zu untersuchen. Er soll das Alter des halben Schädels herausfinden, ob es sich um einen Mann oder eine Frau gehandelt hat und ob Auffälligkeiten beziehungsweise Hinweise auf Erkrankungen vorliegen. Eine schwierige Aufgabe, für die es in Bayern nur eine Handvoll Experten gibt, die für eine derartige Aufgabe zertifiziert sind.
Die Untersuchungsmethode zur Altersbestimmung ist die Radiokarbonmethode. Sie beruht darauf, dass in abgestorbenen Organismen die Zahl bestimmter gebundener radioaktiver Kohlenstoffisotope dem Zerfallsgesetz entsprechend abnimmt. Würde der halbe Schädel aus der Bronzezeit stammen, könnte mithilfe dieser Methode das Alter rein theoretisch auf einige Jahrzehnte genau bestimmt werden.