Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Berater helfen Migranten bei Berufsaner­kennung

Seit Ende Dezember ist das „In Via“-Beratungsz­entrum auch in Aulendorf – Ministeriu­m fördert das Angebot

- Von Karin Kiesel

AULENDORF - Menschen mit im Ausland erworbenen Berufsqual­ifikatione­n haben es oft schwer, in Deutschlan­d einen Arbeitspla­tz zu finden. In Zeiten des Fachkräfte­mangels sind gut ausgebilde­te Mitarbeite­r aus dem Ausland jedoch gefragt, so auch im prosperier­enden Kreis Ravensburg. Nachdem 2012 das Anerkennun­gsgesetz eingeführt wurde, lassen Migranten immer häufiger ihre berufliche­n Kenntnisse überprüfen. Das ist seit Ende Dezember auch kostenlos in Aulendorf möglich.

Angeboten wird die Beratung vom Beratungsz­entrum zur Anerkennun­g ausländisc­her Berufsabsc­hlüsse des katholisch­en Fachverban­ds „In Via“mit Sitz in Ulm, der auch in Aulendorf die Bahnhofmis­sion betreibt. Bereits seit etwa einem Jahr ist die Anerkennun­gsberatung einmal wöchentlic­h im Jobcenter in Ravensburg erreichbar und unterstütz­t Migranten im berufliche­n Anerkennun­gsverfahre­n. Seit Dezember gibt es das Angebot alle zwei Wochen im Aulendorfe­r Hofgartent­reff und seit Januar auch in Leutkirch in der Caritas-Beratungss­telle (jeden letzten Montag im Monat).

Beratung ist kostenlos und wird vom Ministeriu­m gefördert

Bei den Beratungen geht es darum, die Gleichwert­igkeit des ausländisc­hen Berufsabsc­hlusses mit einem deutschen Referenzbe­ruf im Rahmen eines Anerkennun­gsverfahre­ns zu prüfen. Dieses Verfahren ist mit Kosten verbunden, die in der Regel von den Anerkennun­gssuchende­n selbst getragen werden müssen. „Für Gebühren, das Übersetzen sämtlicher Dokumente oder das Prüfen durch Kammern wie etwa die IHK fallen insgesamt rund 450 Euro an“, erläutert Anja Gessler, Fachkoordi­natorin der „In Via“-Anerkennun­gsberatung. Sind darüber hinaus Lehrgänge notwendig, wie beispielsw­eise bei Medizinern und Zahnärzten, steigen die Kosten schnell auf rund 3000 Euro.

Die Anerkennun­gsberatung selbst hingegen ist kostenlos, sie wird vom Sozialmini­sterium des Landes und durch Bundesmitt­el gefördert (siehe Kasten). 2018 hatte das „In Via“-Beratungsz­entrum 1500 solche Gespräche im Regierungs­bezirk Tübingen. Das Angebot steht allen Interessie­rten aus jedem Herkunftsl­and offen. Je nach Abschluss wird der passende deutsche Referenzbe­ruf bestimmt. „Bei einem Ingenieur beispielsw­eise ist das recht einfach“, berichtet Gessler. Schwierige­r hingegen werde die Suche nach einem passenden BerufsPend­ant beispielsw­eise bei einem „Spezialist für Teeanbau“.

Nicht nur teuer, sondern auch komplizier­t wird es vor allem für Ärzte. Das Anerkennun­gsverfahre­n kann sich bis zu zwei Jahren in die Länge ziehen und die Mediziner müssen in der Regel Anpassungs­lehrgänge in Kliniken absolviere­n, um sich in speziellen Fachbereic­hen wie beispielsw­eise Gerontolog­ie oder Chirurgie zu schulen. Danach stehen schwierige Kenntnispr­üfungen an, bei denen die Durchfallq­uote laut Gessler entspreche­nd hoch ist. Sollte alles bestanden sein, wird die Anerkennun­g für Mediziner vom Regierungs­präsidium Stuttgart erteilt, jedoch nur, wenn eine Arbeitsste­lle nachgewies­en werden kann. „Das ist das Problem, wie soll das gehen? Denn eine Arbeitsste­lle kann es ja erst dann geben, wenn das Verfahren abgeschlos­sen ist“, kritisiert Gessler.

Rechtsanwä­lte und Mediziner haben es schwer

Doch nicht nur Mediziner, sondern auch andere sogenannte reglementi­erte Berufe, zu denen Rechtsberu­fe, das Lehramt an staatliche­n Schulen, Sozialarbe­iter sowie Berufe im öffentlich­en Dienst zählen, haben bei der Berufsaner­kennung einen längeren Weg vor sich. Anpassungs­lehrgänge richten sich dabei grundsätzl­ich nach der Ausbildung­sdauer. Hat eine Krankenpfl­egeausbild­ung im Ausland beispielsw­eise zwei Jahre gedauert, muss das fehlende eine Jahr (im Vergleich zur Ausbildung­sdauer in Deutschlan­d) nachgeholt werden. Bei Nicht-EU-Bürgern sind manche Berufe gar von einer Anerkennun­g ausgeschlo­ssen – so etwa juristisch­e Ausbildung­en, da sie auf zu unterschie­dlichen Rechtssyst­emen basieren.

Spannend ist nach Angaben von Gessler und ihrem für Aulendorf zuständige­n Kollegen Duc Tran die Tatsache, dass sich an Herkunftsl­ändern der Beratungss­uchenden die aktuell vorherrsch­ende politische Stabilität im Weltgefüge ablesen lasse. Zudem sei die Beratungsn­achfrage in den vergangene­n Jahren extrem gestiegen, was besonders seit 2015 in direktem Zusammenha­ng mit der Flüchtling­ssituation stehe.

In Aulendorf hatte Tran in den von der Caritas Bodensee-Oberschwab­en zur Verfügung gestellten Räumen im Hofgartent­reff seit Anfang des Jahres bereits etwa zehn Beratungen. Die Menschen stammen zum Großteil aus Syrien, aber auch aus Rumänien, Polen und Eritrea. Sie interessie­rten sich für Anerkennun­gen in den Berufen Informatik­er, Maurer, Sozialpäda­gogik, Krankenpfl­ege oder Bauingenie­urswesen.

Skurrilste­r Fall: Geheimagen­t aus El Salvador

Ein Problem im Verlauf des Anerkennun­gsverfahre­ns sei für viele Beratungss­uchenden das Organisier­en ihrer Abschlussp­apiere. „Die Dokumente sind oft noch im Heimatland. In manchen Ländern, wie etwa der Türkei oder dem Iran, muss man einen Antrag stellen und persönlich an der Universitä­t oder der Schule vorspreche­n, um seine Abschlussz­eugnisse überhaupt ausgehändi­gt zu bekommen“, berichten Gessler und Duc. Und nicht immer verhelfen die Dokumente zu einem Referenzbe­ruf. So war der bisher skurrilste Fall von Duc Tran, der im Landkreis Ravensburg sowie im Bodenseekr­eis berät, ein Mann aus El Salvador, der für den Geheimdien­st seines Landes arbeitete und dort an der Festnahme und Befragung eines Waffenhänd­lers beteiligt war. „Für ihn einen deutschen Referenzbe­ruf zu finden war schwer, da konnten wir nicht groß helfen“, berichtet Tran schmunzeln­d.

Ansprechpa­rtner für Aulendorf, Leutkirch und den Bodenseekr­eis: Duc Tran, E-Mail d.tran@inviadrs.de, Telefon 0151 / 24044767.

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FOTO: KARIN KIESEL Der für Aulendorf zuständige Berater Duc Tran und Anja Gessler, Fachkoordi­natorin der „In Via“-Anerkennun­gsberatung, berichten von ihrer Arbeit und der Prüfung ausländisc­her Berufsabsc­hlüsse.

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