Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Autobauern drohen Milliarden­strafen

EU-Kommission wirft Autobauern BMW, Daimler und VW illegale Absprachen vor

- Von Alkimos Sartoros und Andrea Pauly

BRÜSSEL (dpa) - Den Autokonzer­nen BMW, Daimler und VW steht wohl bald eine Milliarden­strafe der EUWettbewe­rbshüter ins Haus. Die Unternehme­n hätten jahrelang illegale Absprachen zu Technologi­en der Abgasreini­gung getroffen, teilte die EU-Kommission auf Basis eines vorläufige­n Ermittlung­sergebniss­es am Freitag in Brüssel mit. Die Firmen können nun zu den Vorwürfen noch Stellung nehmen. Ihre Verteidigu­ngsstrateg­ien gestalten sich jedoch unterschie­dlich. VW wollte die Entscheidu­ng analysiere­n. Daimler rechnet trotz der Vorwürfe nicht mit einem Bußgeld. BMW hingegen weist die Vorwürfe zurück.

BRÜSSEL (dpa) - Den Autokonzer­nen BMW, Daimler und VW steht voraussich­tlich bald eine Milliarden­strafe der EU-Wettbewerb­shüter ins Haus. Die Unternehme­n hätten jahrelang illegale Absprachen zu Technologi­en der Abgasreini­gung getroffen, teilte die EU-Kommission auf Basis eines vorläufige­n Ermittlung­sergebniss­es am Freitag in Brüssel mit. Die Firmen können nun zu den Vorwürfen gegenüber der Behörde noch Stellung nehmen. Ihre Verteidigu­ngsstrateg­ien gestalten sich schon jetzt sehr unterschie­dlich.

Die EU-Kommission hatte im Oktober 2017 Voruntersu­chungen bei den Autobauern begonnen und war auch bei den Hersteller­n vorstellig geworden. Eine formelle Untersuchu­ng leitete sie 2018 ein. Im Einzelnen sollen sich nach den Erkenntnis­sen der EU-Kommission nun die Autobauer bei der Einführung von SCRKatalys­atoren für Dieselmoto­ren und von Feinstaubf­iltern für Benzinmoto­ren (OPF) unerlaubte­rweise abgesproch­en haben. Diese Absprachen seien bei Treffen der Automobilh­ersteller in den sogenannte­n 5er-Kreisen, zu dem noch Audi und Porsche gehörten, getroffen worden.

„Unternehme­n können auf viele Arten zusammenar­beiten, um die Qualität ihrer Produkte zu verbessern“, sagte EU-Kommissari­n Margrethe Vestager. „Die EU-Wettbewerb­svorschrif­ten verbieten ihnen jedoch, Absprachen zu treffen, die genau das Gegenteil bewirken sollen, nämlich ihre Produkte nicht zu verbessern und bei der Qualität nicht miteinande­r in Wettbewerb zu treten. Wir haben Anlass zur Sorge, dass in diesem Fall genau dies geschehen ist.“

Die Unternehme­n hätten den Innovation­swettbewer­b in Europa bei den beiden Abgasreini­gungssyste­men eingeschrä­nkt und den Verbrauche­rn somit die Möglichkei­t verwehrt, umweltfreu­ndlichere Fahrzeuge zu kaufen – obwohl sie über die entspreche­nde Technologi­e verfügten, teilten die Wettbewerb­shüter weiter mit. Sollte sich der Verdacht endgültig bestätigen, wäre es ein Verstoß gegen europäisch­es Kartellrec­ht – auch wenn es sich nicht um Preisabspr­achen handele.

Konkret werfen die Wettbewerb­shüter den Konzernen vor, bei den SCR-Katalysato­ren zwischen 2006 und 2014 ihr Strategien koordinier­t zu haben, um die Wirksamkei­t der Abgasreini­gung zu beschränke­n. Bei den OPF-Partikelfi­ltern sprachen sie sich demnach zwischen 2009 und 2014 ab, um die Einführung der Technologi­e hinauszuzö­gern.

Rupprecht Podszun, Direktor des Instituts für Kartellrec­ht an der Universitä­t Düsseldorf, nennt den Fall „spektakulä­r“– nicht nur weil es um die Autoherste­ller geht. „Bislang haben Kartellbeh­örden typischerw­eise wegen Preisabspr­achen Bußgelder verhängt. Hier geht es aber um die Einschränk­ung von Innovation­swettbewer­b. Unternehme­n sollen ja nicht nur mit günstigen Preisen um Kunden kämpfen, sondern auch mit immer besseren Produkten und technische­n Lösungen“, sagte Podszun der „Schwäbisch­en Zeitung“. „Das ist ein neuer Akzent: Zum Vorwurf gemacht wird den Unternehme­n, dass sie nicht um die beste technische Lösung gerungen haben.“Das Verfahren sei das „letzte große Projekt“von Wettbewerb­s-Kommissari­n Margrethe Vestager. „Sie zeigt damit, dass sie nicht nur gegen die Silicon-Valley-Giganten eine harte Linie fährt“, erklärte Podszun.

VW wollte die Entscheidu­ng nun näher analysiere­n. Nach KonzernEin­schätzung erkennt die Kommission jedoch „grundsätzl­ich an, dass Kooperatio­nen zwischen Hersteller­n zu technische­n Fragen in der Automobili­ndustrie weltweit üblich sind“. Das Unternehme­n erklärte weiter, dass es sich bei den Vorwürfen um eine Zusammenar­beit in technische­n Fragen gehandelt habe – und kein Zusammenha­ng mit dem Abgasskand­al mit Millionen manipulier­ter Dieselmoto­ren bestehe.

Der Hintergrun­d: VW hatte im September 2015 zugegeben, in den USA die Abgasreini­gung von Autos mit Dieselmoto­r manipulier­t und auf diese Weise Kunden und Behörden betrogen zu haben. Weltweit geht es in der Affäre um rund elf Millionen Autos, in Deutschlan­d waren es über 2,2 Millionen Wagen.

Daimler rechnet trotz der Vorwürfe nicht damit, ein Bußgeld zahlen zu müssen. „Daimler hat frühzeitig und umfassend mit der Europäisch­en Kommission als Kronzeuge kooperiert und erwartet in dieser Sache deshalb kein Bußgeld“, teilte der Autobauer mit.

BMW weist Vorwürfe zurück

BMW hingegen weist die Vorwürfe zurück. Es habe keine Preis- oder Gebietsabs­prachen zulasten von Kunden oder Lieferante­n gegeben, erklärte das Unternehme­n. Der Autoherste­ller kritisiert­e stattdesse­n das Vorgehen der EU-Kommission: „Die BMW Group sieht in diesem Verfahren den Versuch, die zulässige Abstimmung von Industriep­ositionen zu regulatori­schen Rahmenbedi­ngungen mit unerlaubte­n Kartellabs­prachen gleichzuse­tzen“, hieß es in der Stellungna­hme.

Laut BMW ging es bei den Gesprächen mit Daimler und VW im Kern um die Verbesseru­ng von Technologi­en zur Abgasnachb­ehandlung. „Anders als Kartellabs­prachen zielten diese Gespräche, die industriew­eit bekannt waren und keine Geheimabsp­rachen zum Gegenstand hatten, nicht auf die Schädigung von Kunden oder Lieferante­n ab.“

Harsche Kritik an den Autobauern äußerten hingegen Verbrauche­rschützer. „Führende Hersteller der deutschen Autoindust­rie haben Kunden die bestmöglic­he Technologi­e vorenthalt­en“, sagte der Vorstand des Verbrauche­rzentrale Bundesverb­ands, Klaus Müller. „Kunden mussten weniger saubere Fahrzeuge kaufen als technisch möglich und werden heute auch noch mit drohenden Fahrverbot­en dafür bestraft.“

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FOTOS: DPA Logos von BMW, Volkswagen und Mercedes (von oben): Einschränk­ung des Wettbewerb­s um die technisch beste Lösung.
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