Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Größere Kluft zwischen Stadt und Land
Im Süden noch Wachstum – Strukturschwache Regionen aber bluten aus
BERLIN - Städte wachsen, strukturschwache Regionen bluten weiter aus. Das ist insgesamt die Prognose der Studie des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung. Das Institut hat sich bundesweit die 401 Kreise angesehen und nach den Kriterien von Bevölkerungsentwicklung und Wirtschaft Noten verliehen. Am besten schneidet mit einer Gesamtnote von 2,32 die bayerische Landeshauptstadt München ab. Trauriges Schlusslicht ist mit 4,71 die Ruhrgebietsstadt Gelsenkirchen.
Das Ranking beinhaltet ein großes Nord-Süd-Gefälle, vorne liegen wirtschaftsstarke Städte mit ihrem Umland in Bayern und Baden-Württemberg, hinten liegen der Osten, aber auch Problemzonen im Westen wie das Ruhrgebiet. Die Forscher stellen eine wachsende Kluft zwischen Ost- und Westdeutschland fest, aber auch zwischen Stadt und Land. „Die regionalen Verwerfungen zwischen den prosperierenden Großstädten und den entlegenen strukturschwachen Regionen werden sich verschärfen, warnt Reiner Klingholz, Direktor des Instituts.
Eine Geburt auf vier Sterbefälle
Zurzeit hat Deutschland rund 83 Millionen Einwohner. „Deutschland erlebt aktuell einen kleinen Babyboom“, so Manuel Slupina vom Berlin-Institut bei der Vorstellung der Studie.
Auch in den nächsten Jahren bis 2035 wird die Bevölkerung deshalb nur wenig schrumpfen. Das sei aber nur eine Art „Zwischenhoch“, so Klingholz, denn die starke Generation der Babyboomer nähert sich dem Ruhestand. Insgesamt werden nach Berechnungen seines Instituts 2035 auf 700 000 Geburten 1,1 Millionen Sterbefälle kommen. Besonders die strukturschwachen ländlichen Kreise werden das spüren: Im Landkreis Spree-Neiße kommen heute schon auf eine Geburt vier Beerdigungen.
Die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in Deutschland wird auf sich warten lassen.
Im Osten sind Landstriche, die zunehmend verlassen sind, aber auch der Westen hat Unterschiede: Hamburg wächst mit zehn Prozent am stärksten, das Saarland verliert mit neun Prozent die meisten Einwohner. Etwa um vier Prozent zulegen werden Bremen, Baden-Württemberg und Bayern. In den Städten sind viele junge Familien, die für Nachwuchs sorgen. Mit weiterem Bevölkerungszuwachs können vor allem Kreise im Süden rechnen. Von den 20 Kreisen, die deutschlandweit am besten abschneiden, liegen 19 in Bayern und Baden-Württemberg. Mit minimaler Abwanderung (0 bis minus fünf Prozent) müssen allerdings der Zollernalbkreis, der Ostalbkreis, Sigmaringen und Heidenheim rechnen. Tuttlingen, Konstanz und Biberach sollen demnach bis 2035 sogar mit Bevölkerungszuwächsen von fünf bis zehn Prozent rechnen können, Friedrichshafen und Ravensburg mit 0 bis zehn Prozent mehr.
Baden-Württemberg insgesamt, so die Studie, stehe zwar gut da, lasse aber in der wirtschaftlichen Dynamik nach. „Während Baden-Württemberg zwischen 2013 und 2017 ein jährliches Wachstum von 2,2 Prozent erreichte, entwickelten sich Berlin mit 3,0 aber auch Sachsen mit 2,3 Prozent dynamischer.
Damit schwächele Baden-Württemberg auf hohem Niveau. Denn fast überall herrsche Vollbeschäftigung, jeder Einzelne habe im Schnitt 24 000 Euro pro Jahr zur Verfügung, die Steuereinnahmen seien hoch und die Schulden gering.