Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Ex-Kanzler
Keiner seiner Vorgänger im Kanzleramt bot der eigenen Partei so viele Reibungspunkte wie der Sozialdemokrat Gerhard Schröder. Nicht nur wegen seiner neoliberalen Agenda 2010. Schröder pflegte Auftritte in teuren Anzügen, rauchte CohibaZigarren und war schnell als „Genosse der Bosse“verschrieen. Geliebt hat ihn seine Partei nicht, wohl aber geachtet für seine unverstellte und bisweilen hemdsärmelige Art. Am Sonntag wird er 75 Jahre alt.
Heute sehen ihn viele Parteimitglieder am liebsten von hinten. Auch als Privatier mischt sich der Ex-Kanzler, gefragt oder ungefragt, noch gerne in die Tagespolitik ein. Mit einer eigenwilligen Sicht auf das Weltgeschehen bringt er die SPD regelmäßig in Erklärungsnot. So auch mit seiner Forderung, die Sanktionen gegen Russland zu beenden – trotz Krim-Annexion.
Schröder komme vom „unteren Ende der Gesellschaft“und habe einen „beispiellosen Aufstieg“hinter sich, urteilt Biograf Gregor Schöllgen. Geboren 1944 im Dorf Mossenberg in Nordrhein-Westfalen, wächst Gerhard Fritz Kurt Schröder ohne den im Krieg gefallenen Vater in sehr einfachen Verhältnissen auf. Er verschafft sich Anerkennung beim Fußball und ist erfolgreiche Sturmspitze beim TuS Talle.
1998 wird Schröder mithilfe der Grünen zum Bundeskanzler gewählt. Akzente setzte er einige. Die Erinnerung daran ist vom andauernden Streit über das Für und Wider der HartzReformen überlagert. Spektakulär verweigerte Schröder 2003 den USA die Gefolgschaft im Irakkrieg. Ihm gelang eine große Steuerreform, bei der er den Spitzensteuersatz massiv senkte.
Die zweite Kanzlerschaft verlor er 2005, weil er sich verzockte. Er hatte mit Chuzpe alles auf Neuwahlen gesetzt. Doch die SPD verlor – wenn auch nach einer grandiosen Aufholjagd mit 34,2 Prozent der Stimmen denkbar knapp.
Der erklärte Freund Wladimir Putins wechselte in die russische Wirtschaft – und löste viel Kritik aus. Schröder legt aber großen Wert darauf, dass er den Posten als Aufsichtsrat beim Staatskonzern Rosneft nicht als ExKanzler, sondern als Privatperson übernommen hat. (epd)