Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Diese Sprache ist zum Heulen
Der Schriftsteller Abbas Khider macht in „Deutsch für alle“Vorschläge für eine neue Grammatik
RAVENSBURG - „Dies Büchlein ist ernsthafter sprachwissenschaftlicher Schwachsinn“, kündigt Autor Abbas Khider im Vorwort von „Deutsch für alle“an. Genau das ist es. Aber auch: urkomisch, bissig geschrieben und an mancher Stelle eine Offenbarung.
Khider wurde 1973 im Irak geboren und floh mit 19 Jahren aus seinem Heimatland. „Hitler, Scheiße und Lufthansa“– das seien die einzigen Worte gewesen, die er kannte, als er nach Deutschland kam, schreibt er. Er hatte noch keine Ahnung, was auf ihn wartete beim Erlernen der deutschen Sprache. Ihn gruselt, wenn er aufzählt: „nicht nur die heimtückischen Artikel, die gefährlichen Deklinationen, auflauernden Verbflexionen und die Stolperfallen der Verbposition, sondern auch der Kasus des Dativs und Genitivs, die unzähligen Pronomen und Präpositionen, die unregelmäßigen und trennbaren Verben, die Umlautbuchstaben und viele andere seltsame sprachliche Eigenheiten.“Kurzum: Deutsche Grammatik sei zum Heulen oder wie schon Mark Twain sagte: „Die deutsche Sprache sollte sanft und ehrfurchtsvoll zu den toten Sprachen abgelegt werden, denn nur die Toten haben die Zeit, diese Sprache zu lernen.“
Aber Khider musste ja Deutsch lernen, verständlicherweise, um sich unterhalten zu können und noch viel mehr: In der Uni schlug sich Khider mit Kant, Hegel und Heidegger herum. Khider meisterte die Philosophen. Trotzdem, so schreibt er, entziehen sich ihm bis heute die Umlaute Ä, Ö und Ü seiner Kontrolle. „Diese phonetischen Tretminen sind für mich so, als kaute ich auf Nägeln“, einfach unaussprechlich.
Nicht ganz ernst gemeint
Darum macht Khider mit „Deutsch für alle“einen – naja wohl halb ernst gemeinten – Vorschlag für eine neue deutsche Grammatik. In Kapiteln widmet er sich einzeln den grammatikalischen Tücken und bietet jeweils Vereinfachungen an. Zum Beispiel für die Artikel: Im Deutschen kann man am Nomen nicht ablesen, ob es männlich, weiblich oder sächlich ist. Dass ein Mädchen, obwohl es weiblich ist, nicht „die Mädchen“, sondern „das Mädchen“heißt, sei ziemlich unlogisch, konstatiert Khider
Als Muttersprachler ist man bei der Lektüre so oft so froh, dass man Deutsch nicht als Fremdsprache hat erlernen müssen und kann Khiders Vorschläge bald verstehen. Für den unbestimmten Artikel, den bestimmten Artikel und die Mehrzahl soll, laut Khider, in Zukunft einfach „de“verwendet werden. Den Genitiv und den Dativ schafft er ab, so wie die meisten Präpositionen und die Umlaute. Die Zahl der Personalpronomina reduziert er. Verben stehen bei ihm grundsätzlich an zweiter Stelle im Satz. Am Ende kommen dabei so verrückte Sätze heraus, wie: „De Polizei sucht e Mann, de heißt Massud. Er hat überfallen de Ausländerbehörde und geohrfeigt e Mitarbeiter.“
Khiders Buch macht wahnsinnig Spaß beim Lesen. Jeder, der sich nur ein bisschen für das Funktionieren von Sprache interessiert, sollte es unbedingt lesen oder auch: De Buch ist fantastisch.
Am Dienstag, 9. April, liest Abbas Khider in der Buchhandlung RavensBuch in Ravensburg, am Mittwoch in der Buchhandlung Rombach in Freiburg. „Deutsch für alle“ist beim Hanser Literaturverlag erschienen. Preis: 14 Euro.