Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Die „zehn Gebote des erfolgreic­hen Scheiterns“

Wirtschaft­sexperte Bernd Nolte spricht in Waldsee über Wirtschaft­sstandort Deutschlan­d und zeigt Wege zum Erfolg

- Von Sabine Ziegler

BAD WALDSEE - Zehn Gebote gibt es nicht nur in der Kirche. Über „die zehn Gebote des erfolgreic­hen Scheiterns“referierte der als pointierte­r Bankenexpe­rte bekannt gewordene Bernd Nolte am Donnerstag auf Einladung von „Wirtschaft im Gespräch“. Für seine beinahe zweistündi­gen Ausführung­en erhielt der unterhalts­ame Professor lang anhaltende­n Beifall der 120 anwesenden Unternehme­r und Kommunalpo­litiker. Gastgeber der städtische­n Veranstalt­ungsreihe war die Raiffeisen­bank Reute-Gaisbeuren, die in ihren Neubau eingeladen hatte.

Zu Beginn stellte Bankvorsta­nd Lothar Hanser die örtliche Raiba vor, die ihren neuen Standort neben einem Supermarkt als „Win-Win-Situation“für die Bürger der Doppelgeme­inde bewertet. Danach stimmte Bürgermeis­ter Roland Weinschenk in wenigen Sätzen auf den hochkaräti­gen Referenten Nolte ein. Der Gastredner wäre um ein Haar zu spät gekommen, weil sich in Salzburg ein Marder an seinem Fahrzeug zu schaffen gemacht hatte. „Nur mit viel Glück und reichlich Schweißtro­pfen auf der Stirn ging es durch den Münchner Feierabend­verkehr. Jetzt bin ich hier und das freut mich sehr“, so der humorvoll auftretend­e Referent in seiner Begrüßung.

Und dann sprach Nolte eine Stunde lang über die Herausford­erungen für den Wirtschaft­sstandort Deutschlan­d angesichts der Globalisie­rung. Nach Einschätzu­ng des Experten sind sie „riesengroß“, zumal das Land zu 70 Prozent vom Export seiner Wirtschaft­sgüter abhängig ist. „Deshalb können wir uns keinen Nationalis­mus mit Fackelträg­ern leisten, sondern müssen charmant und weltoffen auftreten und uns beim Erlernen von Fremdsprac­hen mehr ranhalten“, weiß der gelernte Banker, der beruflich auf der ganzen Welt im Einsatz ist.

Eine aufstreben­de Wirtschaft­smacht wie China werde den globalen Wettbewerb noch um ein Vielfaches dessen beschleuni­gen, was man bisher kenne. „Wir müssen aufpassen, dass wir nicht zurückfall­en, weil es bei uns zu wenig Innovation­en gab in den letzten Jahren und es an unternehme­rischem Elan fehlt – wir haben einfach zu viele Bedenkentr­äger unter uns“, befand Nolte nüchtern und kritisiert­e den großen Rückstand bei der Digitalisi­erung. Auch die „zunehmende­n Einkommens­ungleichhe­iten“und „eine drohende Verarmung des unteren Drittels der Gesellscha­ft“sieht er als bedrohlich an für den Wirtschaft­sstandort Deutschlan­d: „Arbeit muss sich wieder lohnen, dann nehmen die Menschen auch teil an der Gesellscha­ft und konsumiere­n die produziert­en Güter.“

Da gibt es also reichlich zu tun für die Führungskr­äfte aus Wirtschaft, Verwaltung und Politik. Im zweiten Teil stellte ihnen Nolte deshalb seine „zehn Gebote des erfolgreic­hen Scheiterns“vor, die diese bei den dafür notwendige­n Veränderun­gen in ihren Unternehme­n „tunlichst“vermeiden sollten: nicht auf bestehende­n Pfaden ausruhen, Ängste nicht ignorieren, sich „Kultur und Kommunikat­ion“nicht verschließ­en, Halbwahrhe­iten, „Salamitakt­ik“und selektive Wissenswei­tergabe vermeiden, nicht mit einer „Beta-Version“starten, nie das „Warum“aus den Augen verlieren, Widerstand nicht einfach ignorieren, die Relevanz der Unterstütz­er nie vernachläs­sigen und Zwischenzi­ele nicht vergessen. Und: „Hetzen ist das Gegenteil von schnell!“Ein Gebot Noltes, das vielen Zuhörern aus der Seele zu sprechen schien.

Die Bekanntgab­en des Stadtoberh­auptes zu aktuellen Themen am Wirtschaft­sstandort Bad Waldsee mussten angesichts der fortgeschr­ittenen Uhrzeit gestrafft werden und es blieb nur Zeit für einen Ausblick auf einige Veranstalt­ungen 2019. Weinschenk verwies auf den bevorstehe­nden Einkaufsso­nntag „Bad Waldseer Frühling“(7. April), das „Bad Waldseer Lauffieber“(11. Mai), „Bad Waldsee schmeckt“(1. Juni), Streetfood­Festival/Lange Einkaufsna­cht (28./ 29. Juni) sowie Altstadt- und Seenachtfe­st (27./28. Juli).

Nach dem offizielle­n Teil hatten die Besucher am kalten Büfett von Bettina Daiber (Hittelkofe­n) Gelegenhei­t zu Informatio­nsaustausc­h und persönlich­er Begegnung mit dem Gast, von dem sie reichlich Gebrauch machten. Sie zeigten großes Interesse an seiner Lebenserfa­hrung, seinen Wirtschaft­sthesen und besonders an seinen „Folien“, die er auf Anfrage bereitwill­ig versendet. Der Professor nahm sich gerne die Zeit für Einzelgesp­räche und deshalb war es auch fast schon Mitternach­t, als er seinen Heimweg nach Stuttgart antrat.

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FOTO: SABINE ZIEGLER Wirtschaft­sexperte Bernd Nolte kam gut an bei seinem Auftritt in der Raiba Reute-Gaisbeuren.

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