Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Acht Jahre Haft wegen versuchten Totschlags
31-Jähriger aus Weingarten soll mit Küchenmesser seine Freundin lebensbedrohlich verletzt haben
WEINGARTEN - Zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren hat das Landgericht Ravensburg einen 31-jährigen Deutschen aus Weingarten wegen versuchten Totschlags mit gefährlicher Körperverletzung verurteilt. Zudem veranschlagte das Gericht ein Schmerzensgeld in Höhe von 40 000 Euro. Die Kammer sah es als erwiesen an, dass der Mann Ende November vergangenen Jahres aus Eifersucht mit einem Küchenmesser auf seine 32-jährige Freundin eingestochen habe. Dabei hatte sie lebensbedrohliche Verletzungen erlitten. Ärzte konnten das Leben der 32-jährigen in einer Notoperation retten.
Mit geschlossenen Augen, den Kopf auf die gefalteten Hände gestützt, verfolgte der 31-Jährige die Ausführungen des Gerichts. Vor der Urteilsverkündung hatte er sich bei seiner ehemaligen Freundin entschuldigt. Es tue ihm leid, dass es so weit gekommen sei. Die 32-Jährige solle so schnell wie möglich wieder auf die Beine kommen und ihr Leben genießen.
Das Gericht folgte in seiner Urteilsbegründung maßgeblich den Ausführungen der Staatsanwaltschaft. Es gebe nicht viele Totschlags-Fälle, in denen das Opfer so knapp mit dem Leben davon gekommen sei, sagte der Vorsitzende Richter Stefan Maier. Die Tatintensität sei sehr hoch. Der Angeklagte habe über zehn Mal auf seine damalige Freundin eingestochen.
„Er wollte sie töten“
„Das war ein bestialischer Akt“, sagte Oberstaatsanwalt Karl-Josef Diehl in seinem Plädoyer und zitierte damit den Angeklagten selbst, der die Tat am ersten Prozesstag eingeräumt hatte. Als Beweis führte Diehl unter anderem eine im Gerichtssaal abgespielte Audio-Datei an, auf der minutenlang die Schmerzensschreie, Hilferufe und das Flehen der 32-Jährigen zu hören waren. Eine Zimmernachbarin, mit der die 32-Jährige in einer Wohngemeinschaft lebt, hatte das Geschehen mit ihrem Handy aufgenommen und gleichzeitig die Polizei alarmiert.
Der Angeklagte habe seine Freundin töten wollen, so der Oberstaatsanwalt weiter, weil er sich von ihr abgewiesen gefühlt habe. Die Tötungsabsicht sei erwiesen, weil er auch dann noch auf sein Opfer eingestochen habe, als dieses schon blutend am Boden lag. Das hatte die Zimmernachbarin vor Gericht bestätigt. Es habe keinen Rücktritt von der Tat gegeben. Zudem habe sich der 31-Jährige kurz nach der Tat gegenüber Polizisten mit Aussagen wie, er habe sie abgestochen, die Schlampe solle sterben, geäußert. „Er wollte sie töten, um die Beziehung zu beenden“, sagte Diehl.
Die Behauptung des Angeklagten, er könne sich nicht mehr an den Ablauf der Tat erinnern, bezeichnete Diehl als „Schutzbehauptung“, die wenig glaubwürdig sei. Außerdem stellte er heraus, dass die Anklage nur hauchdünn am Vorwurf des versuchten Mordes vorbei gegangen sei, denn die 32-Jährige habe nicht mit dem Angriff rechnen können.
Hohe Brutalität
Heimtücke liege aber dennoch nicht vor, weil das Opfer nicht arglos gewesen sei. Die 32-Jährige habe durchaus ihren Beitrag zu den vielen Streits während der Beziehung geleistet. Zwar sei Eifersucht ein Motiv für die Tat gewesen, jedoch sei hier nicht von einem niedrigen Beweggrund auszugehen, da es sich hierbei nicht um ein absoluten Besitzanspruch handele. Maßgeblich für die Beurteilung der Tat sei, der Angeklagte habe sich verletzt und abgewiesen gefühlt.
Bei der Festsetzung der Strafe habe laut Gericht der Schwerpunkt deshalb auf der sogenannten Vollendungsnähe gelegen. Die Tat sei mit hoher Brutalität ausgeführt worden, sagte der Vorsitzende Richter. Dennoch würden, wie auch schon die Staatsanwaltschaft gesagt habe, keine Mordmerkmale vorliegen. Das Vorgehen des Angeklagten sei spontan gewesen, fügte Maier den Ausführungen hinzu.
Zwar sei der Angeklagte alkoholkrank und habe zur Tatzeit etwa 2,69 Promille Alkohol im Blut gehabt, was jedoch nicht seine Steuerungsfähigkeit beeinträchtigt habe. Wie Polizeibeamte, die bei der Festnahme und Vernehmung des 31-Jährigen dabei waren, vor Gericht ausgesagt hatten, seien sie vom Ergebnis des Alkoholtests überrascht gewesen. Der Angeklagte habe bei seiner Festnahme und auf der Wache klar gesprochen, habe beim Gehen nicht geschwankt und habe sogar aus einem Becher Wasser getrunken, ohne dabei die Hände benutzen zu können. Die volle Schuldfähigkeit des 31-Jährigen hatte zuvor der psychologische Gutachter Heiner Missenhardt festgestellt.
In die Bewertung der Strafe seien auch die Verletzungen und die Folgeschäden der 32-Jährigen eingeflossen. Sie sei in psychologischer Behandlung und es sei fraglich, ob sie jemals zwei Finger wieder bewegen könne, die beim Versuch, Messerstiche abzuwehren, fast vollständig abgetrennt worden seien.
Strafmindernd für den Angeklagten sei sein umfassende Geständnis, dass er angeboten habe, 20 000 Euro vom Schmerzensgeld zu bezahlen, und seine wenigen Vorstrafen. Deshalb laute das Strafmaß auf acht Jahre Gefängnis. Zudem ordnete das Gericht an, dass der Angeklagte gegen Ende seiner Haftstrafe zwei Jahre in einer Entziehungsanstalt verbringen müsse. Die Staatsanwaltschaft hatte neun Jahre Haft gefordert, die Verteidigung sechs Jahre. Gegen das Urteil kann innerhalb einer Woche Revision eingelegt werden. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.