Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Lahme Enten im Muss-Spiel
Weinzierl soll bis Saisonende VfB-Coach bleiben – Nürnberg könnte diesen Plan vereiteln
STUTTGART (fil) - Vermutlich hat Wolfgang Dietrich nicht an das Kartenspiel Schafkopf gedacht, als der Präsident des VfB Stuttgart über die kommende Partie des Tabellendrittletzten am Samstag (15.30/Sky) gegen den Tabellenvorletzten 1. FC Nürnberg sagte: „Das ist ein MussSpiel, ganz klar.“
Beim Schafkopf wird eine Partie dann als Muss-Spiel bezeichnet, wenn alle vier Spieler passen. Dann muss spielen, wer eine bestimmte Karte besitzt. Insofern hätte die Schafkopf-Analogie, hätte Dietrich sie denn bemüht, durchaus ihre Berechtigung gehabt.
Ähnelt der Kampf gegen den Abstieg in der Bundesliga in dieser Saison ja eher dem Rennen lahmer Enten, die das rettende Ufer und die große Nichtabstiegsparty erreichen wollen, indem sie auf dem Weg dahin so wenige Erfolgserlebnisse wie möglich sammeln.
Schlechteste Bilanz der Geschichte
Markus Weinzierl verantwortet beim VfB die punktemäßig schwächste Stuttgarter Mannschaft in der Bundesligageschichte. Fünf Siege, fünf Unentschieden und 17 Niederlagen nach 27 Spieltagen sind definitiv die Bilanz eines Absteigers. Der letzte Stuttgarter Sieg, das 5:1 gegen Hannover, ist auch schon wieder mehr als einen Monat her. Weinzierl testete diverse Formationen, er sprach Spielern das Vertrauen aus und ließ manche von ihnen doch wieder fallen. „Man kann mir nicht vorwerfen, ich hätte personell nicht alles ausprobiert“, sagte er. Der Erfolg blieb aus, und zudem rumort es im Kader.
Dass Weinzierl trotzdem noch im Amt ist – und rund um den VfB noch immer vorsichtiger Optimismus angesagt ist –, liegt zum einen daran, dass in Michael Reschke diesmal der Sportvorstand Opfer der VfB-eigenen Panikminimierung durch Entlassungen wurde. Vor allem aber daran, dass seit dem Muss-Sieg gegen Hannover nicht mehr zu viel passiert ist im Abstiegskampf und der VfB eben seit dem 3. März zehren konnte von diesem einen Sieg (und den umrahmenden zwei Punkten gegen Bremen und Hoffenheim).
Nun also das nächste Muss-Spiel, die nächste Partie, die es im LahmeEnten-Rennen zu gewinnen gilt. Der „Club“ist nach dem 3:0 gegen Augsburg – es war der erste Sieg des Aufsteigers nach 182 Tagen und 20 Spielen – bis auf vier Punkte herangerobbt an den VfB.
Als Dietrich von einem MussSpiel sprach, wollte er vielleicht einfach die arg strapazierte Floskel des „Sechspunktespiels“nicht bemühen. Oder vielleicht wollte er auch nicht ein „Endspiel“am siebtletzten Spieltag ausrufen.
Das wollen sie sich rund um Bad Cannstatt ja für den letzten Spieltag aufbewahren, am 18. Mai geht es zum FC Schalke, derzeit zwei Plätze und sechs Punkte – und damit einigermaßen in Schlagdistanz – vor dem VfB liegend. Die Strategie des Präsidenten Dietrich, der übrigens auch bei einem Abstieg weitermachen möchte, um den direkten Klassenerhalt zu schaffen, ist recht simpel: „Wir haben noch vier Heimspiele, die müssen wir alle gewinnen, fertig.“
Gewinnt der VfB das erste, sollte der Relegationsplatz recht sicher sein. Falls nicht? Dann könnte es doch noch mal eng werden für Weinzierl. Der wird zwar von den Chefs aktuell so gut gestützt wie es die prekäre Lage zulässt, zumindest bis zum Ende der Saison – und womöglich zwei Verlängerungsspielen in der Relegation – soll der Straubinger die Stuttgarter im Lahme-Enten-Rennen antreiben. Auch wenn er womöglich selbst schon längst eine lahme Ente und damit ein Trainer auf Abruf ist: Die Gerüchte um eine Verpflichtung des Linzers Oliver Glasner, den sie in Österreich wegen seiner eher ruhigen Art und seiner Vorliebe für rasantes Umschaltspiel gepaart mit hohem Pressing mit Frankfurts Adi Hütter vergleichen, blieben von VfBSeite zumindest undementiert.