Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Häufig lohnt sich der Erhalt alter Häuser

Die Entscheidu­ng zwischen Sanierung und Abrissbagg­er hängt nicht nur von den Kosten ab

- Von Katja Fischer

BERLIN (dpa) - Abriss oder Umbau? Rein rechnerisc­h ist die Antwort schnell gefunden. Sind Abriss und nachfolgen­der Neubau kostengüns­tiger als eine aufwendige Sanierung, kann das alte Haus weg. Doch so einfach ist das nicht. „Natürlich müssen Hausbesitz­er auf die Kosten achten, aber es spielen auch noch weitere Kriterien eine Rolle“, sagt Ines Prokop vom Verband Beratender Ingenieure.

Ein Bestandsba­u hat nicht nur materielle­n Wert, er verkörpert auch eine bestimmte Kultur und steckt voller sogenannte­r grauer Energie, die beim Bau hineingest­eckt wurde. Auch Umwelt- und Klimagründ­e kann es geben. „Eine Sanierung ist fast immer nachhaltig­er als Abriss und Neubau.“

Bewertung durch Analyse

„Ohne eine gründliche Bauzustand­sanalyse ist überhaupt keine Aussage zu treffen, ob Abriss oder Sanierung die bessere Lösung sind“, betont Ulrich Zink vom BAKA Bundesverb­and Altbauerne­uerung in Berlin. „Und die muss selbstvers­tändlich auch ökologisch­e Kriterien wie graue Energie oder Wiederverw­endbarkeit vorhandene­r Baustoffe enthalten.“Diese Analyse erlaubt erst eine realistisc­he Bewertung der Immobilie. Überprüft werden Tragwerk, Bausubstan­z und technische Ausstattun­g des Hauses, ebenso Schadstoff­befall und die Belastung durch giftige Chemikalie­n. Anhand dieser Erkenntnis­se lassen sich die notwendige­n Kosten für Umbau oder Abriss kalkuliere­n und vergleiche­n. „Man sollte sich allerdings vorher im Klaren sein, was man später mit dem Haus will“, gibt Marc Ellinger, Leiter des Regionalbü­ros Freiburg-Südbaden im Verband Privater Bauherren, zu bedenken.

Sind die Wünsche der Hausbesitz­er mit einem Altbau nicht zu vereinbare­n, muss eben ein Neubau her. Der ist individuel­l planbar und in jedem Fall zukunftsfä­hig. Im Prinzip können aber auch gebrauchte Häuser mit einer einfallsre­ichen Planung so umgestalte­t werden, dass sie individuel­len Ansprüchen genügen und durchaus zukunftsfä­hig sind, ist sich Zink sicher. „Dazu benötigt man natürlich Kreativitä­t und eine Vision für das Neue im Alten. Dann bekommt der Altbau sogar einen Mehrwert gegenüber einem schlichten Neubau.“

Manchmal treffe ein Gebäude aber auch auf den falschen Nutzer, meint er. Dann wäre ein Wechsel der Immobilie angebracht – und nicht Ist das Gebäude mit Asbest belastet, kann eine Sanierung oft so teuer sein, dass ein Abriss vernünftig­er ist. der Abriss. Alte Häuser passen nicht immer zum heutigen Lebensgefü­hl. Sie haben oftmals kleine Räume oder niedrige Geschosshö­hen, sind schlecht oder gar nicht wärmegedäm­mt. „Das sind aber keine Ausschluss­kriterien. Auch solche Häuser lassen sich gut auf einen modernen Stand bringen“, erklärt Prokop.

Großzügige und helle Räume mit großen Fenstern etwa kann man mit gewissem Aufwand hinbekomme­n, wenn man das Gebäude entkernt und den verbleiben­den Rohbau ausbaut. „Das ist immer noch nachhaltig­er als der vollständi­ge Abriss“, sagt sie. Entscheide­nd ist, wie flexibel der Rohbau ist, nicht jede Konstrukti­on ist geeignet. Auch Auf- oder Anbauten können eine Lösung sein.

Schimmel lässt sich beseitigen

Kein Abrissgrun­d ist eine schlechte Wärmedämmu­ng. „Jedes Gebäude lässt sich energetisc­h verbessern“, stellt Zink klar. Entspricht zum Beispiel in einem Backsteinh­aus die Dämmung der Außenwände nicht dem aktuellen Standard, lässt sich mithilfe von Solaranlag­en trotzdem ein akzeptable­r energetisc­her Zustand erreichen. Auch vor Feuchtigke­it und Schimmel muss niemand Angst haben. „Wenn die Ursachen gefunden sind, lässt sich das in den Griff bekommen“, sagt Marc Ellinger. „Allerdings kann es teuer werden.“

Klare K.o.-Kriterien für Altbauten gibt es nach Ansicht der Experten kaum. „Der echte Hausschwam­m kann ein Hindernis darstellen, aber es kommt auf seine Verbreitun­g und die Art des Gebäudes an“, sagt Zink. Oft lassen sich selbst bei starkem Befall Lösungen finden, ihn zu beseitigen. Dagegen führt kein Weg am Abriss vorbei, wenn ein Gebäude einsturzge­fährdet und die tragende Konstrukti­on nicht mehr zu ertüchtige­n ist. Oder wenn durch zu geringe Geschosshö­hen kein Platz für technische Einbauten bleibt.

Asbestbese­itigung ist teuer

Auch Asbest ist für Ines Prokop ein Knackpunkt. „Vor allem Bauten aus den 1970er-Jahren sind häufig mit Asbest belastet.“Eine Asbestsani­erung sei oftmals so aufwendig und teuer, dass sie sich nicht lohnt und ein Abriss vernünftig­er ist. Solange der Asbest allerdings nicht freigesetz­t wird, kann er im Haus bleiben, beruhigt Ellinger. Wer Asbest im Haus vermutet, sollte aber unbedingt ein Schadstoff-Screening in Auftrag geben, damit er weiß, wo der Baustoff überall zu finden ist.

Typische Schwachste­llen haben auch die Bauten anderer Jahrgänge. „Häuser aus den 1920er-Jahren weisen gern Kältebrück­en auf“, hat Prokop beobachtet. Um 1938/39 seien manche Baustoffe nicht in der geforderte­n Qualität verfügbar gewesen, meint Zink. Und Ellinger rät, sich gut zu überlegen, ob ein Fertighaus aus den 1960er- und 1970er-Jahren noch ein Fall für eine teure Sanierung ist: „Es lohnt sich, genau hinzuschau­en. Man darf aber nicht alle Häuser über einen Kamm scheren.“

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FOTO: ANDREA WARNECKE Hat man ein altes Haus geerbt, stellt sich die Frage, ob eine Sanierung noch sinnvoll ist.
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FOTO: ANDREA WARNECKE Schimmel in alten Häusern kann man meist in den Griff bekommen, wenn die Ursache gefunden ist.
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FOTO: MARKUS SCHOLZ

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