Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Millionen Tote durch Behandlungsfehler
Millionen Menschen sterben laut WHO durch Medizinfehler – Mängel auch hierzulande
GENF (epd/hz) - Aufgrund fehlerhafter medizinischer Behandlungen sterben laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) jedes Jahr Millionen Menschen. Allein in Staaten mit mittleren und niedrigen Einkommen kämen so jährlich 2,6 Millionen Menschen ums Leben. „Mindestens fünf Patienten sterben jede Minute infolge unsicherer Behandlungen“, sagte WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus. In Deutschland sterben laut des Aktionsbündnisses Patientensicherheit pro Jahr 20 000 Patienten nach Fehlern.
BERLIN - Das ist der Horror: Eine Schere, die nach der Operation im Bauchraum vergessen wird. Das falsche Organ, das entnommen wird, der falsche Patient, der operiert wird, das falsche Medikament, das verordnet wird, die falsche Diagnose, die gestellt wird. Behandlungsfehler gibt es zu Tausenden. Jahr für Jahr sterben nach Angaben des Aktionsbündnisses Patientensicherheit (APS) 20 000 Menschen in deutschen Krankenhäusern an vermeidbaren Fehlern. Daran habe sich seit zwei Jahrzehnten nichts geändert, beklagt die APS-Vorsitzende Hedwig François-Kettner die Lage. Bis zu 800 000 weitere Patienten müssten wegen „vermeidbarer unerwünschter Ereignisse“unnötig leiden.
Weltweit kommen nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) jährlich Millionen Menschen bei medizinischen Behandlungen zu Schaden. „Jede Minute sterben fünf Menschen wegen fehlerhafter Behandlung“, sagte WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus in Genf. Allein in den 150 Ländern mit niedrigen und mittleren Einkommen kämen 2,6 Millionen Menschen im Jahr durch Behandlungsfehler ums Leben.
Die Bandbreite der Fehler ist groß: manche Patienten bekämen eine falsche Diagnose oder falsche Medikamente, sie würden falsch bestrahlt oder infizierten sich während der Behandlung. Auch Amputationen falscher Gliedmaßen oder Hirnoperationen auf der falschen Seite des Kopfes kämen vor.
Hierzulande hat inzwischen jede dritte Frau und jeder vierte Mann Angst vor einer stationären Behandlung, so das Ergebnis einer ForsaUmfrage. Die wurde von der Kaufmännischen Krankenkasse (KKH) im Vorfeld des vom APS initiierten 1. Welttages der Patientensicherheit in Auftrag geben, der morgen stattfindet. Jeder dritte Befragte begründet demnach seine Ängste sogar mit eigenen schlechten Erfahrungen. Ein großes Thema sind für die Deutschen Krankenhauskeime: 81 Prozent derjenigen, die Sorgen vor einer stationären Behandlung haben, befürchten, sich mit solchen Erregern in Kliniken anzustecken. Jeder Zweite sorgt sich vor der Notwendigkeit einer erneuten Operation und Komplikationen bei der Narkose. Auch eine mögliche schlechte Wundheilung und mangelhafte Qualität der verwendeten Medizinprodukte spielen für jeden Zweiten eine Rolle. Vergessenes OP-Besteck im Körper und Medikamenten-Unverträglichkeit sind für jeden Dritten ein Grund, sich Sorgen zu machen.
Es fehlt an Informationen
Entsprechend groß ist das Informationsbedürfnis bei einem Klinikaufenthalt. Immerhin 84 Prozent aller Befragten würden sich zuvor genauer über Krankheitsbild, Behandlungsmethode und das jeweilige Krankenhaus informieren. Auch hier sind es die Frauen, die einen erhöhten Informationsbedarf haben. Dies gilt ebenso für die Gruppe der Älteren und der Befragten, die sich vor einem Klinikaufenthalt Sorgen machen. Für acht von zehn Patienten ist laut Umfrage der behandelnde Arzt erster Ansprechpartner bei Fragen rund um die stationäre Behandlung. Drei Viertel der Befragten würde zudem das Internet für die Recherche nutzen. Erfahrungen aus dem Freundesund Bekanntenkreis sind für zwei Drittel eine Informationsquelle. Fast jeder Dritte würde vor einem Krankenhausaufenthalt zudem seine Krankenkasse um Rat fragen.
Patienten fühlten sich, sagt APSChefin Hedwig François-Kettner, häufig „ausgeliefert, hilflos, ängstlich oder wütend“. Ein „Weiter so“dürfe es nicht geben.