Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Was uns wirklich übergewichtig macht ...
Im ewigen Kampf Mensch gegen Kalorie ist die Personenwaage der engste Verbündete des Abspeckwilligen. Denn sie ist oft der einzige Gefährte auf dem entsagungsreichen Weg zum Waschbrettbauch, die auf 100 Gramm genau den fettigen Finger in die Wunde legt und immer die Wahrheit sagt. Beschönigungen sind ihr absolut fremd. Sie will weder gemein noch nett sein. Kurzum: Sie liefert das, was man sich von jedem guten Freund wünscht – nämlich absolute Ehrlichkeit.
Auch die Personenwaage hat sich im Laufe der Zeiten stark verändert.
Waren es früher noch mechanische Konstruktionen, die im Blechgehäuse je nach Gewichtsklasse des Wiegeobjekts beim Messen der Kilos ächzte, ist es heute die Nüchternheit der Digitalwaage, die den Nutzer lautlos glücklich oder unglücklich macht.
Wahrscheinlich liegt es an unserer Leistungsgesellschaft, die das Wachstum wie eine Monstranz vor sich herträgt, dass auch die Personenwaage immer größere Gewichtsklassen anzuzeigen in der Lage ist. In den 1950er-Jahren lag das Maximum bei 120 Kilogramm, wenige Jahre später stieg das Limit auf 130 und mit der Jahrtausendwende zeigt sich die Maßlosigkeit auch im Umstand, dass Waagen heute praktisch kaum mehr eine Obergrenze kennen. Mit digitaler Präzision sind 200 Kilogramm fast schon Standard. Und wie sich zeigt, hat die Leistungsfähigkeit der Personenwaagen uns nicht schlanker sondern dicker gemacht. Damit wäre der Schuldige am Phänomen Übergewicht also gefunden. Mit der Entsorgung des Geräts kann der Waschbrettbauch endlich kommen. (nyf)