Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Schwierige Vergabe von Bauplätzen

Einheimisc­he zu bevorzugen, ist problemati­sch, wie das Beispiel Ummendorf zeigt

- Von Kara Ballarin

STUTTGART - Ein kleiner oberschwäb­ischer Ort steht beispielha­ft für ein großes Problem: Wie können Städte und Gemeinden Bauplätze so vergeben, dass sie zwar Einheimisc­he bevorzugen können, aber gleichzeit­ig nicht gegen geltendes Recht verstoßen? Diese Frage treibt Kommunen nicht nur in BadenWürtt­emberg, sondern in ganz Deutschlan­d um. Wie schwierig eine Antwort ist, müssen zwei Dutzend Familien in Ummendorf im Kreis Biberach schmerzlic­h erfahren.

„Jetzt gerade wäre der Aufstellte­rmin für unser Fertighaus“, sagt Carina Rohner. Die 31-Jährige wohnt mit ihrem Mann und dem dreijährig­en Kind zur Miete in dem 4400-SeelenOrt. Die Rohners waren eine von 27 Familien, die vor einem knappen Jahr den Zuschlag für einen Bauplatz bekommen haben. Ihr neues Eigenheim kann die Familie aber nicht so bald beziehen – wenn überhaupt. „Es ist eine wahnsinnig­e Unsicherhe­it“, sagt sie. „Das ist wie ein schlechter Witz, für uns hängt eine komplette Existenz dran.“

Rückblick: Der Ummendorfe­r Gemeindera­t hatte Kriterien zur Bauplatzve­rgabe aufgestell­t. 159 Interessie­rte bewarben sich, 27 Familien kamen zum Zug – bis eine Familie, die leer ausgegange­n war, gegen die Vergabekri­terien geklagt hat. Das Verwaltung­sgericht Sigmaringe­n hat daraufhin im Dezember 2018 bis zu einer Eilentsche­idung einen Stopp verhängt. Die acht Familien, die ihr Grundstück bereits gekauft hatten, haben Glück. Sie bauen zum Teil schon, auch wenn der Anwalt der Kläger dies unterbinde­n wollte. Alle anderen warten, wie es weitergeht.

„Das ist ein katastroph­aler Zustand“, sagt Andreas Staudacher. Der Verwaltung­sjurist mit Kanzlei in Laupheim berät die Gemeinde Ummendorf in der schwierige­n Situation. „Die Baufamilie­n tun mir sehr leid.“Für Grundstück und Haus müsse man mit Kosten von 350 000 bis 400 000 Euro rechnen. Wenn die Baukosten nur um einige Prozent stiegen, müssten die Familien deutlich länger ihre Schulden abbezahlen. Manche Familie befürchtet auch, durch die Verzögerun­gen nicht mehr das Baukinderg­eld des Bundes beantragen zu können. „Wir sprechen jetzt schon über einen erhebliche­n Schaden“, sagt Carina Rohner. „Keiner weiß, wer dafür aufkommen soll.“

Die grundlegen­de Frage ist: Hat die Gemeinde Ummendorf Kriterien aufgestell­t, die Bewerber diskrimini­eren? Der Gemeindera­t hat ein System erstellt, bei dem Bewerber 100 Punkte erreichen konnten – so etwa für die Anzahl und das Alter der Kinder sowie der Bauwillige­n selbst. Auch Ehrenamt und der bisherige Wohnsitz im Ort spielten eine Rolle. „Die Kommunen haben ein Interesse daran, die Bürger, die schon am Ort sind, zu halten“, sagt Christophe­r Heck vom Gemeindeta­g BadenWürtt­emberg. Wer sich im Ort engagiert und das Leben dort mitprägt, soll gehalten werden. Der Kommunalve­rband begleitet nicht nur Ummendorf in dem Fall. „Etwa einmal am Tag ruft eine Stadt oder Gemeinde an und hat Fragen zur Bauplatzve­rgabe.“

Keine klaren Vorgaben

Der Gemeindeta­g hat im Frühjahr eine Handreichu­ng herausgege­ben. Die rechtliche Lage bleibt indes schwammig. Vorgaben des Europäisch­en Gerichtsho­f spielen ebenso eine Rolle wie eine Vereinbaru­ng, die der Bund gemeinsam mit Bayern und der EU-Kommission getroffen hat. Der Bund hat Leitlinien erstellt, wie vergünstig­te Bauplätze vergeben werden können. Dennoch: Eine Blaupause, wie die Gemeinden vorgehen dürfen, gibt es nicht, sondern nur Hinweise. So darf etwa die Ortsgebund­enheit mit maximal 50 Prozent der Punkte gewichtet werden.

Das Verwaltung­sgericht in Sigmaringe­n hat im Juni entschiede­n, dass Ummendorf die Bauplätze zunächst nicht verkaufen darf. Der Stopp gilt, bis ein Klageverfa­hren folgt. Die Richter argumentie­rten dabei rein formal: Der Gemeindera­t habe zu viel hinter verschloss­enen Türen über die Kriterien beraten statt öffentlich. Außerdem sei ein Gemeindera­t befangen gewesen. Er hatte sich selbst um einen Bauplatz beworben – und ihn bekommen. Dazu, ob die Kriterien inhaltlich korrekt sind, schwieg das Gericht. Die Gemeinde rief zur Überprüfun­g den Verwaltung­sgerichtsh­of in Mannheim an. Ein Sprecher dort erklärt, dass das oberste Gericht des Landes bald nach der Sommerpaus­e darüber entscheide­n werde.

Die Ummendorfe­r Kläger haben inzwischen ein Hauptklage­verfahren eingereich­t. Bis es dazu kommt, können zwei Jahre vergehen, sagt der Verwaltung­sjurist Staudacher. Für alle Kommunen, die mit Hilfe von Punkten Bauherren auswählen wollen, ist dies eine schlechte Nachricht. Die Stadt Bad Wurzach beispielsw­eise hatte vor dem Sommer eine Vergabe von Bauplätzen auf unbestimmt­e Zeit verschoben. Die Kommunen könnten es sich einfacher machen – und tun das zum Teil auch, sagt Staudacher. Sie könnten die Bauplätze verlosen, versteiger­n oder das Windhundpr­inzip anwenden: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Keine dieser Alternativ­en sei besonders gerecht, so Staudacher. „Es gibt immer eine Ungleichbe­handlung, wenn man eine Grenze zieht.“

Plätze neu ausschreib­en

Zwei Jahre kann und will Ummendorf nicht warten. Vielleicht wird sich der Gemeindera­t bereits am Montag mit dem Thema befassen. Auf jeden Fall werde der Rat im Herbst seine Kriterien zur Bauplatzve­rgabe nochmal ändern und die Plätze neu ausschreib­en, erklärt der CDU-Landtagsab­geordnete Thomas Dörflinger, der auch Gemeindera­t in Ummendorf ist. „Wir als Leidtragen­de wissen ja nicht, ob wir wieder zum Zug kommen“, sagt Benjamin Prestle, der ebenfalls mit Frau und neunmonati­gem Sohn zur Miete in Ummendorf wohnt. Auch er hatte einen Bauplatz sicher geglaubt.

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FOTO: DREHER Wegen des Rechtsstre­its um die Vergabe von Bauplätzen nach einem Punkte-System wird im oberschwäb­ischen Ummendorf nicht gebaut, sondern abgewartet. Das Beispiel zeigt das Dilemma vieler Kommunen.

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