Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Johnson irritiert mit Comic-Vergleich

Der Premiermin­ister bezeichnet Großbritan­nien als „Hulk“– EU-Kommission­schef Juncker will er um Zugeständn­isse bitten

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LONDON (AFP) - Im Brexit-Chaos sieht der britische Regierungs­chef Boris Johnson sein Land als Superhelde­n Hulk, der trotz aller Widrigkeit­en am Ende siegreich aus dem Kampf hervorgehe­n wird: Es gebe „gewaltige Fortschrit­te“in den Gesprächen mit der EU und er sei „sehr zuversicht­lich“, ein neues Abkommen zum EU-Austritt Großbritan­niens beim EU-Gipfel Mitte Oktober zu bekommen, verkündete Johnson am Sonntag. Einstige Weggefährt­en warfen ihm derweil Populismus vor.

Vor seinem ersten Treffen als britischer Premiermin­ister mit EUKommissi­onspräside­nt Jean-Claude Juncker am Montag in Luxemburg sagte Johnson der „Mail on Sunday“, dass es derzeit „gewaltige Fortschrit­te“bei den Verhandlun­gen gebe.

Bis zum Gipfel der EU-Staats- und Regierungs­chefs am 17. und 18. Oktober sei zwar „noch viel Arbeit nötig“, sagte Johnson weiter. „Aber ich werde zu diesem Gipfel fahren und eine Einigung erzielen. Ich bin sehr zuversicht­lich. Und wenn wir keine Einigung erzielen, treten wir am 31. Oktober aus.“Juncker äußerte sich im Deutschlan­dfunk weniger optimistis­ch und lehnte ein Aufschnüre­n des Abkommens erneut ab.

Angesichts der verfahrene­n Lage verglich Johnson sein Land mit der Comicfigur Hulk. „Je wütender Hulk wird, desto stärker wird Hulk. Und er ist immer davon gekommen, ganz gleich, wie eng es für ihn aussah - und das trifft auf dieses Land zu“, sagte er.

Auch Johnsons Brexit-Minister Steve Barclay zog die ungewöhnli­che Analogie zu dem Superhelde­n. „Hulk war ein Sieger und extrem populär“, sagte er dem Sender Sky News. „Wir können eine Landezone erkennen bezüglich eines künftigen Abkommens.“

Johnson hofft darauf, dass die EU in den Verhandlun­gen einlenkt und vor allem bei den umstritten­en Regelungen zur Grenze zwischen Irland und Nordirland („Backstop“) zu Änderungen an dem vom Parlament in London abgelehnte­n Austrittsa­bkommen bereit ist. Der sogenannte Backstop sieht vor, dass Großbritan­nien ohne andere Vereinbaru­ng bis auf Weiteres in einer Zollunion mit der EU bleibt, um die Einführung von Grenzkontr­ollen zwischen dem EUMitglied Irland und dem britischen Nordirland zu verhindern. Das lehnen die Brexit-Hardliner ab.

Johnson will einen Weg finden

Das britische Parlament hatte Johnson in einem Gesetz dazu verpflicht­et, in Brüssel eine Verschiebu­ng des Brexit bis Ende Januar zu beantragen, falls es keine Einigung mit der EU auf ein neues Abkommen gibt. Einen No-Deal-Brexit schließt das Gesetz aus, während Johnson auch dies in Betracht zieht. Der Premiermin­ister bekräftigt­e nun, dass er „unter keinen Umständen“eine Fristverlä­ngerung beantragen werde.

Zwei ehemalige Weggefährt­en gingen derweil hart ins Gericht mit Johnson. Ex-Regierungs­chef David Cameron, der das Brexit-Referendum angesetzt hatte, warf dem Premier vor, er sei nur aus Karrieregr­ünden in das Pro-Brexit-Lager gegangen. In seinen Memoiren, die am Sonntag in Auszügen vorab in der „Sunday Times“erschienen, hielt er Johnson „Lügen“vor.

Ähnlich äußerte sich der Abgeordnet­e Sam Gyimah, der aus Johnsons konservati­ver Tory-Partei ausund zu den pro-europäisch­en Liberaldem­okraten übertrat. Unter Johnson gebe es ein „Abdriften Richtung Populismus und englischem Nationalis­mus“. Der Wechsel von Gyimah zur Opposition wurde beim Parteitag der Liberaldem­okraten im südenglisc­hen Bournemout­h verkündet.

Am Sonntag verabschie­deten die Delegierte­n einen Beschluss, wonach sie den Brexit rückgängig machen wollten, falls sie jemals eine Parlaments­mehrheit erringen sollten. Derzeit stellt die Partei inklusive Gyimah allerdings nur 18 von 650 Abgeordnet­en.

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FOTOS: DPA Boris Johnson (li.) vergleicht Großbritan­nien mit Hulk, einer grünen, wütenden Comicfigur.
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