Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Deutschland will ein Viertel der geretteten Migranten aufnehmen
Innenminister Seehofer macht den EU-Staaten ein Angebot – Boot darf 82 Frauen und Männer nach Italien bringen
BERLIN (dpa) - Im Ringen um eine Lösung für Migranten-Rettungsschiffe auf dem Mittelmeer bietet Deutschland an, künftig jeden vierten Geretteten von Italien zu übernehmen. Das sagte Innenminister Horst Seehofer. Er bezog sich auf Verhandlungen über einen Mechanismus zur Verteilung von aus Seenot geretteten Flüchtlingen in Europa. Die Gespräche liefen noch, sagte der CSU-Politiker der „Süddeutschen Zeitung“. Wenn aber alles bleibe wie besprochen, „können wir 25 Prozent der aus Seenot geretteten Menschen übernehmen, die vor Italien auftauchen“. „Das wird unsere Migrationspolitik nicht überfordern.“
In Abstimmung mit den italienischen Behörden brachte das Rettungsschiff „Ocean Viking“am Wochenende 82 Bootsflüchtlinge zum Hafen der Insel Lampedusa. Die Ausschiffung mit Booten der Küstenwache begann in der Nacht zum Sonntag. Bis zum Vormittag hatte die Mehrzahl der Männer, Frauen und Kinder das Schiff verlassen, das vor dem Hafen auf Reede blieb.
„Nach 14 Monaten ist die Ocean Viking das erste zivile Rettungsschiff, das autorisiert Menschen an einen sicheren Ort in Italien bringt“, schrieb die Hilfsorganisation SOS Méditerranée und begrüßte die Entscheidung der neuen Regierung in Rom als ermutigendes Signal. Nach italienischen Presseberichten werden Deutschland und Frankreich je 24 der 82 Migranten übernehmen, weitere 24 bleiben in Italien. Acht gehen nach Portugal und zwei nach Luxemburg.
Gezerre um Flüchtlinge
Italien und Malta hatten Rettungsschiffen mehrfach die Einfahrt verweigert und gefordert, dass andere EU-Staaten vorher die Aufnahme der Migranten an Bord zusagen. Die Migranten mussten teils wochenlang auf dem Mittelmeer ausharren. Abhilfe soll ein temporärer Mechanismus schaffen, der die Geretteten auf EULänder verteilt, die dazu bereit sind. Am 23. September wollen Deutschland, Frankreich, Italien und Malta bei einem Treffen mit dem EU-Ratsvorsitzenden Finnland in Malta einen gemeinsamen Vorschlag abstimmen.
In Rom war bis vor kurzem Matteo Salvini von der rechten Lega als Innenminister hauptverantwortlich für den harten Kurs in der Migrationspolitik. Nach dem Regierungswechsel hoffen die europäischen Partner wieder auf mehr Kooperationsbereitschaft – und könnten ihrerseits geneigt sein, Hilfe anzubieten, um den innenpolitischen Druck auf die neue Mitte-Links-Koalition zu lindern. Seehofers öffentliches Angebot kann daher auch als Signal vor dem Besuch seiner neuen italienischen Amtskollegin Luciana Lamorgese am kommenden Mittwoch gewertet werden.
Seehofer führte aus: „Ich habe immer gesagt, unsere Migrationspolitik ist auch human. Wir werden niemanden ertrinken lassen.“Deutschland habe bisher rund ein Viertel der Geretteten aus Italien übernommen. Deutschland hat sich nach Regierungsangaben seit Juni 2018 zur Aufnahme von bis zu 565 Menschen bereiterklärt, die in Italien oder Malta an Land gebracht wurden.
Scharfe Kritik äußerte die AfD: „Diese Nachricht wird sich unter Schleppern wie Migranten wie ein Lauffeuer verbreiten, der Run auf Deutschland wird sich noch verstärken“, erklärte Fraktionschefin Alice Weidel. Sie forderte, übers Mittelmeer kommende Migranten zurück ans afrikanische Festland zu bringen. FDP-Chef Christian Lindner sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: „Ich warne Frau Merkel davor, einer so hohen Quote zuzustimmen, denn wir haben über Jahre die Hauptlast in Europa getragen.“