Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Vereint im Kampf gegen „Stadtpanze­r“

Tina Velo und Marie Klee führen als Sprecher von „Sand im Getriebe“die Proteste an

- Von Jan Scharpenbe­rg

FRANKFURT - Sie ist das Gesicht des Protests gegen das Auto an sich - und sehr gefragt. Während der Demonstrat­ion umringen Kamerateam­s die Sprecherin von „Sand im Getriebe“, Journalist­en bitten Tina Velo um Interviews. „Ich hoffe, nächste Woche ist der Rummel um meine Person vorbei“, sagt die 33-Jährige. Mit dabei ist auch Marie Klee. Seit Kurzem ist sie das zweite Gesicht der Aktivisten­Gruppierun­g. Der Andrang sei für eine Person alleine nicht mehr stemmbar gewesen, erklären Velo und Klee.

Die Namen sind Pseudonyme. Zum einen solle der Zweck des Protestes im Mittelpunk­t stehen und nicht bestimmte Personen, sagt die 30-jährige Klee. Zum anderen wollen Velo und Klee sich schützen. „Wir haben zwar damit gerechnet, dass wir angefeinde­t werden, aber die Drohungen aktuell sind schon extrem.“Deshalb geben die beiden Frauen auch nicht viel über sich preis. Beide wohnen nicht in Frankfurt. Ursprüngli­ch stammt Klee aus Augsburg, Velo kommt aus Berlin.

Velo war vergangene Woche im Streitgesp­räch mit VW-Chef Diess im Internet und bei der Talkshow Maybritt Illner zu sehen. Dort fiel die adrett gekleidete Frau mit aggressive­r Rethorik auf. Nannte die Automobili­ndustrie „hochgradig kriminell“, und Bundesverk­ehrsminist­er Andreas Scheuer (CSU) den „Verkaufsmi­nister“der Branche. Nun sitzt sie in löchrigen Jeans auf dem Rasen vor der IAA und sagt: „Meine Wut ist echt. Mich treibt es an, wenn ich sehe, dass Konzerne unsere Zukunft zerstören und dabei von der Politik geschützt werden. Das ist mafiös.“Viele der Fragen, die sie zuletzt gestellt bekommen habe, würden sie nur noch nerven, erklärt Velo. Dazu gehören auch Fragen nach der Mobilität auf dem Land. Ihr Protest konzentrie­re sich erst einmal auf autofreie Städte. „Das ist nämlich machbar. Die Mobilität auf dem Land ist der nächste Schritt.“

Autoabhäng­ige Infrastruk­tur

Die im Vergleich zu Velo eher schüchtern wirkende Klee meldet sich mit einer plötzliche­n Vehemenz in der Stimme zu Wort: „Es ist eine Lüge zu sagen, dass die Menschen auf dem Land alle nur mit dem Auto mobil sind. Da gibt es auch jede Menge Jugendlich­e und alte Leute, die gar nicht fahren können.“Die Vernachläs­sigung des öffentlich­en Personenna­hverkehrs zwinge Menschen – in der Stadt wie auf dem Land – in eine autoabhäng­ige Infrastruk­tur.

„Das Auto ist nicht des Deutschen liebstes Spielzeug. Er ist davon abhängig“, fährt Velo fort und nippt an einem Tee, den sie sich in der Thermoskan­ne mitgebrach­t hat. Sie ist überzeugt, dass ihr Protest die Meinung der Mehrheit der Bürger repräsenti­ert. „Ich glaube, wir sind in der Überzahl, wenn wir sagen, dass wir eine gerechte Mobilität für alle wollen und bessere Städte.“

Und was ist mit den ständig steigenden Verkaufsza­hlen für SUVs? „Fünfzig Prozent der Werbeausga­ben der Autoindust­rie fließen in die Werbung für diese Fahrzeuge“, sagt Klee. Das Auto als Ausdruck des Freiheitsg­efühls? „Wo ist das denn noch ein Freiheitsg­efühl? Unsere Autos stehen doch alle“, sagt die Politikwis­senschaftl­erin Velo. Und es sei ein trauriges Zeichen für eine Gesellscha­ft, wenn sich Menschen über ihre Autos als Statussymb­ole definieren müssten. Vor allem, wenn es die so in der Kritik stehenden SUVs seien. Bei Velo heißen die Stadtgelän­dewagen aber nicht SUV, die Aktivistin nennt sie nur Stadtpanze­r. Demonstran­tin vor der IAA: Kreative Slogans.

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FOTO: JAN SCHARPENBE­RG Tina Velo (rechts) und Marie Klee am Samstag in Frankfurt: „Wir haben zwar damit gerechnet, dass wir angefeinde­t werden, aber die Drohungen aktuell sind schon extrem.“
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FOTO:DPA Aktivisten vor dem Haupteinga­ng der IAA: Bei den Demonstran­ten ist Umweltkrit­ik auch immer Kapitalism­uskritik.

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